Der längste Tag des Jahres

Tanja Dückers

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 2006
Verkaufsrang: 4125 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783351030681
ASIN: 3351030681 (Amazon-Bestellnummer)
Der längste Tag des Jahres - Tanja Dückers
Familienbild in Fürstenfeldbruck! Die einzigen Licht- und Wärmequellen im düsteren Elternhaus waren Vaters Terrarien vorbehalten. Seinen geliebten Geckos und Chamäleons, die er stundenlang, auf seinem Sitzkissen thronend, beobachten konnte. Den Bienenvölkern, über die er endlos monologisierte. Seine Kinder hatten im Lebensraum des Wüstenfreundes weniger Platz. Die Mutter hatte sich aus dem Schatten des gestrengen Naturliebhabers ins ewige Licht des Katholizismus geflüchtet. Nur Thomas, der Jüngste, ein As in Naturwissenschaften, hatte Vaters uneingeschränkte Liebe erhalten. Bis er mit zwanzig verschwunden war!
Vier traurige Anrufe läuten den Roman ein. Am längsten Tag des heißesten Sommers seit Menschengedenken war der Vater an Herzversagen gestorben. Vier erwachsene Kinder quält die Frage, wer dieser verschlossene Mann eigentlich war, der ihnen seinen Stempel so unauslöschlich aufgeprägt hatte? Die Schürfarbeit beginnt! Was sie mit ihrem Vater verband, glich einer Liebe mit gebremstem Schaum. Zu frostig seine Distanziertheit und mangelnde Zuwendung, zu deutlich die unverhohlene Enttäuschung dieses Geradlinigen über ihre beruflichen Werdegänge.
Bennie schlaumeiert sich im fernen Berlin an der Seite der schrillen Nana als "Galerist" mehr schlecht als recht durchs Leben. Dem gnadenlosen Therapeutenblick Annas entgeht kein menschlicher Makel. Sylvia, die Wendige, kümmerte sich um die väterliche Zoohandlung, bis diese mangels Nachfrage schließen musste, was dem Vater buchstäblich das Herz brach. David wandte sich dem Theater zu, was beim Vater lediglich höfliches Interesse hervorrief. Tanja Dückers Wechselobjektive enthüllen langsam ein Familienbild voller Animositäten, des Neides, des Unausgesprochenen und der heimlichen Allianzen - bis sich schließlich die unbequeme Frage erhebt, wieviel väterliches Erbe in jedem einzelnen schlummert.
Verlustschmerz und Erinnerungsarbeit reichen am Ende bis in die Wüste von Utah. Im längsten und merkwürdig aus dem Erzählrahmen fallenden Schlusskapitel treffen wir auf den verschollenen Thomas, der zwischen Esoterikern, Umweltaktivisten und Land Art-Künstlern des Vaters Erbe auf seine Art weiterführt. Die ausufernde Genauigkeit in der Beschreibung dieser Wüstenaktivitäten wirkt ein wenig wie ein Fremdkörper im restlichen Romangefüge, einem Werk, das sich zwischen Tagebuchgeständnishaftigkeit und Selbstfindungsrhetorik ein durchaus passables Plätzchen erobert hat. -Ravi Unger