Lord Gamma.

Michael Marrak

Taschenbuch
Ausgabe vom 2002
Verkaufsrang: 145098 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783404243013
ASIN: 3404243013 (Amazon-Bestellnummer)
Lord Gamma. - Michael Marrak
Bei diesem Roman ging es mir so, wie es mir mit Romanen viel zu selten geht: Ich las die erste Seite und dachte: "Holla!" Ich las das erste Kapitel und konnte nicht mehr aufhören zu lesen. Das war mehr als nur "passabel", mehr als nur "gut": Ich hatte einen hervorragenden SF-Roman entdeckt.
Was erwarten wir von einem hervorragenden SF-Roman? Erstens, eine fantastische Story. In Lord Gamma rollt ein Mann mit einem Pontiac ohne Motor eine schnurgerade, ewig abwärts führende Straße entlang, durch eine Landschaft, die sich alle 180 Kilometer wiederholt, um aus Atombunkern Klone seiner Frau zu retten, die er anschließend erschießen muss. Wenn das keine abgedrehte Story ist, dann weiß ich auch nicht. Zweitens, spannend soll es sein. Diesbezüglich bin ich extrem empfindlich, man könnte auch sagen intolerant. Ein Buch, das mich langweilt, fliegt ins Eck, es mag hochgelobt sein, wie es will. Man mag es also als besonderes Gütesiegel nehmen, wenn ich sage, dass ich mich kaum erinnern kann, wann ich das letzte Mal ein Buch so verschlungen habe wie Lord Gamma. Ich kann jedem nur empfehlen, einfach mal das erste Kapitel zu lesen. Wer danach nicht wissen will, wie es weitergeht, dem ist nicht mehr zu helfen.
Bemerkenswert an dieser Stelle, wie gekonnt Marrak die Fallstricke umgeht, die im Grundansatz seiner Geschichte lauern. Eine Fahrt durch eine Landschaft, die sich alle 180 Kilometer wiederholt: Da hätte die Versuchung groß sein können, in eine Art Zehn-kleine-Negerlein-Schema zu verfallen, ins Episodenhafte, sich ebenfalls alle paar Kapitel in Variationen wiederholend. Eben dieser Gefahr entgeht Lord Gamma mit Bravur. Stan Ternasky, der Held, dringt in mehrere Bunker ein - aber was er darin erlebt und wie es jeweils weitergeht, ist immer überraschend und nie auch nur ansatzweise vorhersehbar.
Drittens, wir erwarten, dass diese fantastische, spannende Story in guter Sprache erzählt wird. Bezüglich Lord Gamma ist zu vermelden, dass der Autor die Sprache souverän beherrscht, ohne uns diese Tatsache in jedem Satz auf die Nase binden zu müssen. Es liest sich gut weg, und nur wenn man (so man es fertig bringt) innehält und sich alles genauer anguckt, stellt man fest, wie variantenreich und gekonnt hier erzählt wird, wie Duktus, Tempo und Farbe der Sprache changieren, sich dem, was da geschildert werden soll, so unauffällig-wirkungsvoll anpassen wie gute Filmmusik einem Film.
Viertens erwarten wir von einem hervorragenden SF-Roman, dass er uns zum Denken anregt. Bei Lord Gamma muss man eine ganze Menge denken, weil die Geschichte ein Fragezeichen aufs andere häuft und man nur noch wissen will, was um alles in der Welt hinter all dem stecken mag, und so kommt man mit hochtourig laufendem Denkapparat im letzten Teil des Buches an, nur um festzustellen, dass man immer noch mal verblüfft werden kann. Mir jedenfalls ging es so, dass ich am Schluss in jenem Zustand war, den gute SF hervorruft: Mit neuen, geradezu fremden Augen auf die Welt, das Universum und das eigene Leben blickend und nur noch staunend über alles und jedes. -Andreas Eschbach (Das Jesus Video)