Irdische Mächte, göttliches Heil: Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart

Michael Burleigh

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 21. April 2008
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Irdische Mächte, göttliches Heil: Die Geschichte des Kampfes zwischen Politik und Religion von der Französischen Revolution bis in die Gegenwart - Michael Burleigh
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts kehrten viele Europäer Gott und der Kirche den Rücken und wandten sich stattdessen anderen Götzen zu. Jakobiner, Kommunisten oder Nationalsozialisten sie alle suchten ihr Heil in neuen politischen Religionen. Mit blutigen Folgen. Michael Burleigh analysiert in diesem Standardwerk den Kampf zwischen Politik und Religion und zeigt, wie messianischer Eifer die europäische Geschichte bestimmte.
Von der Französischen Revolution bis Al Qaida - Religion und Politik in Europa
Seit Beginn des 18. Jahrhunderts kehrten viele Europäer Gott und der Kirche den Rücken und wandten sich stattdessen anderen Götzen zu. Jakobiner, Kommunisten oder Nationalsozialisten - sie alle suchten ihr Heil in neuen politischen Religionen. Mit blutigen Folgen. Michael Burleigh analysiert in diesem Standardwerk den Kampf zwischen Politik und Religion und zeigt, wie messianischer Eifer die europäische Geschichte bestimmte.
In seiner großen Geschichte des Verhältnisses von Politik und Religion in Europa schlägt Michael Burleigh einen weiten Bogen von den Wirren der Französischen Revolution im ausgehen 18. Jahrhundert bis zum aktuellen Krieg gegen den islamistischen Terror. In scharfen Analysen und anschaulichen Beispielen erklärt er die Entstehung der politischen Religionen aus dem Untergang alter Machtverhältnisse und Glaubensvorstellungen. Burleigh zeichnet in seiner großen Gesamtdarstellung zunächst
die Abwendung Europas vom christlichen Glauben nach und zeigt, wie neue Heilserwartungen im Sozialismus oder Nationalismus kristallisierten und sich letztlich zu den großen Geißeln des 20. Jahrhunderts - Nationalsozialismus und Kommunismus - auswuchsen. Und auch heute erleben wir, wie die Religion scheinbar mit aller Macht zurückkehrt. Michael Burleigh beweist in seiner meisterhaften Darstellung, dass sie nie wirklich verschwunden war.
- Ein neuer Blick auf die entscheiden Triebkräfte der europäischen Geschichte
- Ein kontroverses Werk, das für Debatten sorgen wird.



Heute jedoch ist ein Buch mit diesem Untertitel trotz seines erheblichen Umfangs ein Werk, das innerhalb nur eines Jahres übersetzt und in für solche Fachbücher sehr hoher Auflage auf den Markt gebracht wird. Und dieser Markt saugt erst Mal alles auf, was zum Thema Religion geäußert wird. Selbst jemand, der wie der Rezensent versucht, die Diskussion um den neuen gesellschaftlichen, theologischen, philosophischen Diskurs im Auge zu behalten und zu verfolgen, verliert notgedrungen in der Flut der Veröffentlichungen den Überblick und ist gezwungen, sich einige herauszupicken, die wirklich neue und weiterführende Erkenntnis versprechen.

Das vorliegende Buch des britischen Historikers Michael Burleigh gehört zweifellos zu den Büchern, bei dem sich die Lektüre lohnt, obwohl es mit über 1200 Seiten umfangreich ist. Und er hat dieses Buch nicht deshalb geschrieben, weil es sich inzwischen für einen Historiker oder Sozialwissenschaftler, der beachtet werden will, gehört, über Religion zu schreiben, sondern Burleigh setzt mit diesem Werk Forschungen und Diskussion aus seinen früheren Büchern fort. Dass Bücher über die Religion in der europäischen Geschichte und in der Gegenwart in den letzten beiden Jahren eine hohe Akzeptanz haben, gelesen und besprochen, diskutiert, hoch gelobt oder verworfen werden, hat damit zu tun, dass insbesondere nach dem 11. September 2001 der islamische Fundamentalismus und die von ihm erzeugte und zugespitzte Ratlosigkeit der westlichen Gesellschaften das Interesse an der Religion neu geweckt haben, auch und gerade von solchen Menschen, die sich nicht gerade als religiös oder gar kirchlich gebunden fühlen.

Burleigh selbst teilt seinen Lesern mit, dass er mit seinen Forschungen lange davon überzeugt war, "im Abseits der historischen Forschung zu arbeiten". Nach den Anschlägen auf die Türme des WTC am 11.9.2001 wurde daraus quasi über Nacht ein aktuelles Thema. Und es ist aktuell. In allen Beiträgen der letzten Jahre hat man von Vertretern der christlichen Religion immer wieder gehört, aber auch andere, eher distanzierte Diskussionsteilnehmer haben das vertreten, dass man über seine eigene Geschichte und Religion gut Bescheid wissen müsse, wolle man in der Auseinadersetzung mit dem Islam nicht den kürzeren ziehen, oder gar einen Dialog führen.

Europäische Religions- und Kirchengeschichte ist nicht mehr länger angestaubtes antiquarisches Wissen, sondern es gehört zu einer "wirksamen Vergangenheit", wie das ein anderer englischer Historiker (Oakeshott) einmal genannt hat, eine Vergangenheit , die sich niemand mehr erlauben kann zu ignorieren. Weder die Historiker und Philosophen, noch die Theologen du erst recht nicht die Politiker.

Seit der Französischen Revolution spätestens, so führt Burleigh aus, gibt es eine massive Abkehrbewegung der Europäer von Gott und Kirchen und eine nicht weniger wirksame Hinwendung zu anderen Götzen. Erwähnt seien die Jakobiner, die Kommunisten und Nationalsozialisten mit ihren säkularen, politischen Religionen, die an Gewalt, Unterdrückung und Blut alles in den Schatten stellten, was bisher im Namen der Religion an Unrecht verübt worden war. Burleigh zeigt durch sein ganzes Buch hindurch, wie ein immenser messianischer Eifer und Furor die europäische Geschichte bestimmte. Von den blutigen Wirren der Französischen Revolution bis zu dem Terror von Al Qaida und dem Krieg gegen den islamistischen Terror schlägt er eine Bogen, in dem er den Bewies führt für seine Behauptung, dass , entgegen allem äußeren Anschein, die Religion, dien in diesen Zeit mit Macht zurückkehrt, zu keinem früheren Zeitpunkt aus der europäischen Geschichte wirklich verschwunden war.

Sein zentrales Argument und seine wichtigste Kategorie, mit der er die Dialektik von Wandel der Religion bei gleichzeitigem Fortwirken ihrer gesellschaftlich wie kulturell prägenden Kraft fasst, ist "Säkularisierung". Nicht die "Verweltlichung", als die die Kategorie gerade von Theologen übrigens häufig verwendet und damit gründlich missverstanden wird, mache das Wesen des Säkularisierungsvorgangs der letzten Jahrhunderte aus, sondern das "In-die -Welt-Treten" der Religion. In jedem Kapitel seines monumentalen Werkes liefert Michael Burleigh dafür Dutzende konkrete und aufschlussreiche Beispiele.

Besonders das letzte Kapitel 10 mit dem Titel "Kubische Bauten, Kuppeln und Todeskulte - Europa nach dem 11. September 2001" sei dem interessierten Leser und vor allen Dingen den Theologen unter Ihnen warm ans Herz gelegt. Denn darin stellt er nach einer Einschätzung jenes "Tages, der die Welt veränderte" unter der Überschrift "Wir, sie und 'Eurabien'" den Kirchen deutliche Fragen.
Nachdem er den Multikulturalismus und den linken Antisemitismus scharf angegriffen und den "Hohepriester des Darwinismus", den neuen Atheismuspapst Richard Dawkins kritisiert hat, schreibt er den christlichen Kirchen folgendes ins Stammbuch:
"Die Kirchen könnten sich auch mit den beunruhigenden sozialen Folgen der 'multikulturellen Gesellschaft' befassen und , statt sich im 'Dialog der Religionen' zu verzetteln, die wirklich drängenden Fragen der Interkulturalität angehen. Wie kann es sein, dass gewissen lautstarken Minderheiten durch besondere Gesetze vor öffentlicher Kritik geschützt sind, während diverse selbsternannte Kulturkommissare die religiösen Traditionen der europäischen Geschichte auszulöschen suchen ? Welche Stellung beziehen die Kirchen zu der Aussicht, dass es zu einem rechtlichen Dualismus oder Förderalismus kommen kann, und religiöse Minderheiten nach eigenen Gesetzen leben, abgegrenzt von denen, die für das jeweilige Land insgesamt gelten?"

Ich habe selten in der letzten Zeit einen Wissenschaftler so deutlich und klar sprechen hören. Nicht nur deswegen wird sein Buch und werden seine Thesen große Debatten auslösen, das kann man nach einer ersten kursorischen Lektüre prophezeien.
Am Ende schreibt er: "Allein demografische Faktoren machen die finstere Aussicht eines 'Eurabia' wahrscheinlich, und sei es nur aus der Notwendigkeit heraus, Arbeitskräfte zur Unterstützung und Pflege des großen Überschusses an Rentnern meiner und nachfolgender Generationen zu sichern. Und keine der genannten Maßnahmen wird Europas radikale Islamisten befrieden, deren vordringliche Loyalität der frei flottierenden Söldnerarmee gilt, die für al-Qaida steht, und deren Werte und Solidarität auf den Schlachtfeldern geprägt wurden, die vom Balkan über den Kaukasus bis in den Irak und nach Afghanistan reichen".

Doch, er bleibe dennoch optimistisch, so Burleigh, "denn eine zunehmend präzisere Definition dessen, was auf dem Spiel steht, ist wahrscheinlich bereits ein Element der Lösung."

Steht zu hoffen, dass dieses Buch dazu beitragen kann und dass es von seinen Adressaten, eben auch den christlichen Kirchen und ihren Theologen, rezipiert wird. Denn man mag zu anderen Antworten kommen, als Burleigh in diesem Buch ( er wird sicher nicht aufhören, nach weiteren zu suchen in seinen nächsten Büchern), die Fragen , die er stellt, sind richtig und drängen nach einer Antwort, will sich Europa und seine Tradition nicht von vornherein selbst aufgeben.