Eine Frau in Berlin: Tagebuch-Aufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945

Anonyma

Taschenbuch
Ausgabe vom Oktober 2008
Verkaufsrang: 11178 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783442737949
ASIN: 344273794X (Amazon-Bestellnummer)
Eine Frau in Berlin: Tagebuch-Aufzeichnungen vom 20. April bis 22. Juni 1945 - Anonyma
Als kurz nach Kriegsende ihr lang vermisster Freund Gerd glücklich und unerwartet von der Ostfront zurückkehrt, findet er eine ihm fremde Welt vor. Die Entfremdung wird noch größer nach einem Blick in die Tagebuchaufzeichnungen seiner Freundin. Auf seine Frage nach dem darin häufig verwendeten Kürzel "Schdg." kann sie nur bitter lachen. "Na, doch natürlich Schändung." Kurz darauf verschwindet Gerd. Ob für immer aus dem Leben der Frau aus Berlin - wie so vieles wissen wir es nicht. Ihre Trauer darüber hielt sich in Grenzen. Nach all dem Durchlittenen war in ihr für Liebe und Zärtlichkeit kein Platz mehr frei.
Man sollte sich wappnen vor der Lektüre dieser Tagebücher, die als eines der ungeheuerlichsten und authentischsten Dokumente der letzten Kriegstage in die Literaturgeschichte eingehen dürften. Anonyma, deren wahre Identität - verständlich genug - auf eigenen Wunsch auch über ihren Tod hinaus unbekannt bleiben soll, schildert den Fall Berlins vom 20. April bis zum 22. Juni 1945. Ihre eigene Vita bleibt weit gehend im Dunkeln. Anfang 30, Fotojournalistin, weit gereist, mehrsprachig. Ihre Russischkenntnisse sollten sich in dem kommenden menschlichen Inferno als lebensrettend erweisen. Inmitten des Bombenhagels und in banger Erwartung vor den Russen, denen ein fürchterlicher Ruf vorauseilt, haben sich Hausgemeinschaften in Kellerlöchern verschanzt; junge Mädchen werden auf Dachböden versteckt. Es sollte in den meisten Fällen nichts nützen.
Anonymas unterkühlter, fast lakonischer Berichtston lässt die sich anschließenden Plünderungs- und Vergewaltigungsorgien in all ihren scheußlichen Details umso drastischer erscheinen. Trotz mehrfacher Schändung zeichnet sie ein wohltuend differenziertes Russenbild, frei von allem Untermenschendenken. Sehr bald jedoch erkennt sie pragmatisch: "Ein Wolf musste her, der mir die Wölfe vom Leibe hielt!" Anatol wird ihr "ständiger Begleiter". Fragen nach moralischer Integrität tauchen in ihr auf, werden weggewischt. In diesem Zusammenhang liefert sie auch eine schonungslose Bestandsaufnahme deutscher Mannsbilder, die sich nicht scheuten, Kellerfrauen dem Feinde zuzuführen, um selbst ungeschoren davonzukommen.
Dem Schriftsteller Kurt W. Marek (bekannter unter seinem Pseudonym C.W. Ceram, unter dem er den Bestseller Götter, Gräber und Gelehrte veröffentlichte), verdanken wir den Erhalt dieses "selbstentblößenden" Kriegsgemäldes. Marek, der in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft wohnte, lernte 1946 die Schreiberin kennen und erfuhr von den Tagebuchkladden. Fünf Jahre Überzeugungsarbeit waren nötig, sie von der Notwendigkeit einer Veröffentlichung zu überzeugen. 1959 erschienen, geriet sie leider bald in Vergessenheit. Die Frau aus Berlin ist mittlerweile verstorben - ihre Erinnerungen werden ewig leben. -Ravi Unger