Kurze Interviews mit fiesen Männern

David Foster Wallace

Taschenbuch
Ausgabe vom 1. März 2004
Verkaufsrang: 17639 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783499231018
ASIN: 3499231018 (Amazon-Bestellnummer)
Kurze Interviews mit fiesen Männern - David Foster Wallace
"Willst Du mal eine krasse Geschichte hören?" - so beginnt eine der Geschichten in den Kurzen Interviews mit fiesen Männern von David Foster Wallace - aber eigentlich könnte jede Unterhaltung in diesem Buch so anfangen. Denn was wir zu hören oder besser: zu lesen bekommen, sind in der Tat eher unangenehme Geständnisse. Ein Einarmiger schildert genüsslich und mit unverhohlenem Stolz, wie er die Frauen reihenweise mithilfe seiner gelähmten Hand ins Bett bekommt, ein anderer breitet den Alltag seines Vaters, der im Nobelhotel die Männerklos säuberte, in allen nur denkbaren akustischen und olfaktorischen Einzelheiten aus. Zunehmend verstört lauschen wir sodann der Leidensgeschichte einer anonymen "depressiven Person", die sich im überdrehten Psycho-Jargon selbst zugrunde analysiert und dabei ihre Therapeutin zu Tode redet, während zwei Seiten weiter ein beziehungsgestörter Supermacho seiner (baldigen Ex-)Freundin seine Angst gesteht, er sei "vielleicht von Natur aus allein zum Anbaggern geschaffen, mit der unausweichlichen Konsequenz danach sofort die Schubumkehr zu aktivieren und abzuhauen."
Auf den ersten Blick wirken Wallaces Interviews wie Gesprächsprotokolle aus dem Ton-Archiv von Hans Meiser oder Jerry Springer. Doch das täuscht. Mag der Gestus des öffentlichen Geständnisses oder der fernsehgerechten Nachmittagsprovokation auch hier zu finden sein, die "fiesen Männer" (und Frauen) sind bei Wallace eher einsame Sprachbesessene, die ihre verqueren Fantasien und monströsen Macken ohne Rücksicht auf Regie und Einschaltquoten im wahrsten Sinne des Wortes vor sich ausbreiten. Konsequenterweise lässt Wallace die Fragen der unsichtbaren Gegenüber gänzlich unausgesprochen; weder simuliertes Mitleid noch therapeutische Distanz schützen so die Leser vor diesen psychopathologischen Anschlägen. "Liebe Dein Symptom" so schreibt der slowenische Philosoph Slavoj Zizek in seinen Betrachtungen zur postmodernen Psyche und Wallaces Interviewpartner kommen diesem Rat nur zu gerne nach - in diesem Sinne kann man die Kurzen Interviews mit fiesen Männern durchaus als Liebesgeschichten verstehen.
Wie schon in Kleines Mädchen mit seltsamen Haaren und Schrecklich amüsant - aber in Zukunft ohne mich präsentiert sich Wallace in den Kurzen Interviews mit fiesen Männern als äußerst eigenwilliger Erzähler, der mit staunenswerter Leichtigkeit Stimmen und Register wechselt und immer für eine Überraschung gut ist. Markus Ingendaay übersetzte den größten Teil der Interviews wieder einmal mit viel Einfühlung und Sprachwitz; die anderen der gelungenen Übersetzungen lieferten Clara Drechsler, Bernhard Robben und Christa Schuenke. -Peter Schneck