Jesus' Sohn.

Denis Johnson

Buch, Broschiert
Ausgabe vom Januar 1999
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Jesus' Sohn. - Denis Johnson
Hin und wieder ist das Rezensieren ein unangenehmes Geschäft. Warum? Man ist positiv voreingenommen - hat die Verbeugung fast schon einstudiert - und sieht sich angesichts des Dargebotenen plötzlich nicht nur außerstande zu loben, sondern vielmehr genötigt, unangenehme Dinge zu sagen.
Der Reihe nach. Alexander Fest ist ein großartiger Verleger. Als er noch sein eigener Chef war, konnte man quasi unbesehen seine Bücher kaufen. Wo Fest draufstand, war Qualität drin. Er hatte einen Riecher für Erfolg (Jonathan Franzen) und brachte Autoren heraus, die erst keiner haben wollte und dann jeder toll fand (Georg Klein).
Auch Denis Johnson ist so ein Fall. Zunächst bei Ullstein, Limes und später bei Suhrkamp verlegt, schaffte ?der schwarze Romantiker unter Amerikas Apokalyptikern? (Die Weltwoche) den Durchbruch in Deutschland erst nach seinem Wechsel zu Fest. Und so ist es nur recht und billig, dass der Rowohlt-Verlag (wo Alexander Fest mittlerweile Verlagsleiter ist) nach Romanen wie Schon tot, Engel und Fiskadoro nun auch eine Neuübersetzung jener Kurzgeschichten-Sammlung herausbringt, die Johnsons Ruhm in den USA begründete (und später auch verfilmt wurde): Jesus? Son.
Man kann verstehen, dass sich Alexander Fest vorbehalten hat, dieses Buch selber zu übersetzen. Zumal er als genauer Leser und sensibler Lektor gilt. Umso erstaunlicher daher, wie holprig seine Übersetzung daherkommt: Da gibt es eine Figur, die sich selbst umklammert, eine andere biegt um die Klimaanlage (soll heißen: taucht jenseits derselben auf). Und eine dritte Person steigt in den Bus ein ?und saß auf dem Plastiksitz?. Selbst wenn man nicht weiß, dass ?sit? nicht nur ?sitzen?, sondern auch ?sich setzen? heißen kann - ein Lektor müsste über so etwas stolpern.
Wären es nur zwei, drei Holprigkeiten - die sich in jeder Übersetzung finden - könnte man den Mantel des Schweigens darüber breiten, aber leider finden sich auf jeder dritten Seite Stilblüten wie ?Ich drückte sie mit der Wange auf den Teppich? (über eine auf dem Boden liegende Frau) oder ?Einen Moment lang schlief ich ein?. (Man kann entweder ?einen Moment lang schlafen? oder ?für kurze Zeit einschlafen?.)
Konjunktive wie in ?Nehmt an, ihr triebt zusammengerollt in etwas Dunklem? erzeugen eine Sperrigkeit, die das Original nicht hat. (?Think of being curled up and floating in a darkness?). Und wieso kann man eine lakonische Feststellung wie ?That?s what we were after. We intended to sell the copper wire for scrap? nicht ebenso schlicht übersetzen: ?Denn das war unser Plan. Wir wollten den Kupferdraht als Schrott verkaufen.? Stattdessen steht da: ?Denn das war?s, was wir wollten. Unser Plan war, den Kupferdraht als Gebrauchtmetall zu verkaufen.?
Ein Schrotthändler braucht den Blick dafür, welches Material sich weiterverwenden lässt. Auch ein Lektor muss dieses Auge haben. -Carl Hour