In seiner frühen Kindheit ein Garten: Roman (suhrkamp taschenbuch)

Christoph Hein

Taschenbuch
Ausgabe vom 22. Mai 2006
Verkaufsrang: 1192 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783518457733
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In seiner frühen Kindheit ein Garten: Roman (suhrkamp taschenbuch) - Christoph Hein
Zur Zeit der Terroristenangst und der bundesdeutschen Notstandsgesetze in den 70er Jahren entstand ein schmales Bändchen, das zeigen sollte, wie schnell man als normale, besonders rechtschaffene Bürgerin ins Mühlwerk von Polizei und Justiz geraten kann. Die verlorene Ehre der Katharina Blum hieß das Buch, Heinrich Böll sein Autor. Jetzt ist dessen Protagonistin - zumindest teilweise - wieder auferstanden. Katharina Blumenschläger heißt die Frau, und ihr Vorbild ist durchaus real. Christoph Hein hat sie in seinem Roman In seiner frühen Kindheit ein Garten der RAF-Terroristin Birgit Hogefeld nachempfunden, die mit Wolfgang Grams befreundet war. Auch Grams hat einen Doppelgänger im Buch: Oliver Zurek, und dessen Geschichte ist eben die von Grams, den eine Spezialeinheit der GSG9 und Polizeieinheiten am 27. Juni 1993 auf dem Bahnhof von Bad Kleinen stellten. Grams kam ums Leben. Selbstmord oder Hinrichtung? lautete damals die Frage, die unbeantwortet blieb, bis heute. In Heins Roman versucht ein normaler und besonders rechtschaffener Bürger, der Vater von Oliver Zurek, den Geschehnissen nachzuspüren - und stürzt auf ein Netz aus Lügen und Gewalt, dass ihn an Gut und Böse zweifeln lässt.
Christoph Hein, der schon im DDR-Staat mit merkwürdigen Polizeimethoden konfrontiert war, hat aus den Ungereimtheiten bundesrepublikanischer Rechtsstaatlichkeit einen faszinierenden Roman gemacht, der ein ums andere Mal die entscheidende Frage - "Wo leben wir eigentlich?" - klar umreißt. So ist der Leser bei der Lektüre des Öfteren versucht, das Buch ganz unliterarisch, als - wenn auch fiktiv verschlüsselte - Bestandsaufnahme der Ereignisse in und um Bad Kleinen zu begreifen. Aber damit täte man dem Buch bitter unrecht. Denn Hein hat auch sprachlich Beachtliches geleistet und das 70er-Jahre-Genre des "Terroristenromans" neu belebt, freilich, den Zeitumständen entsprechend, aus der rekapitulierenden Außenperspektive eines nur indirekt Beteiligten. Und ist dabei, trotz der etwas plumpen Anspielung, weit besser als einstmals Heinrich Böll. -Stefan Kellerer