Nach PISA: Stress in der Schule und mit den Eltern - Bewältigungskompetenz deutscher Jugendlicher im internationalen Vergleich

Inge Seiffge-Krenke

Buch, Broschiert
Ausgabe vom 1. April 2006
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Nach PISA: Stress in der Schule und mit den Eltern - Bewältigungskompetenz deutscher Jugendlicher im internationalen Vergleich - Inge Seiffge-Krenke


Wer sich intensiver mit den Ergebnissen der PISA-Studie und den nachfolgenden Vergleichsstudien auseinander gesetzt hat, merkt rasch, dass allein die Betrachtung der schulischen Situation nicht ausreicht, um das relativ schwache Abschneiden der Jugendlichen in Deutschland beim Programme for International Student Assessment" (PISA) zu erklären.
Vielmehr muss die Analyse multifaktoriell erfolgen und auch die familiären und länderspezifischen Entwicklungsbedingungen näher untersuchen.
Prof. Dr. phil. Inge Seiffge-Krenke ist es gelungen, den weiten Bogen zu spannen zwischen den Bedingungen in den Familien, in den Schulen und im gesamtgesellschaftlichen Umfeld.
Wie belastet sind Jugendliche in Deutschland, wenn man sie mit Jugendlichen aus anderen Nationen und Kulturkreisen vergleicht? Welche Bewältigungsstrategien verfolgen sie? Welche Unterstützungen erfahren sie? Wie sind die Ausgangslagen in den Familien und in den einzelnen Schulen bzw. Schultypen?
Diesen Fragen nimmt sich die lehrende, forschende und praktizierende Psychoanalytikerin in dieser Gesamtstudie hervorragend an und zieht dabei Befragungsdaten von fast 10000 Jugendlichen aus 18 Ländern zu Hilfe. Die Vielfalt der ausgewählten Länder ist in dieser Weise einzigartig und reicht von Hongkong, Südafrika, Pakistan, Russland, Schweiz bis hin zu Türkei, Peru, Ägypten, Kroatien, Tschechien, Norwegen, Finnland, Griechenland, Italien, Lettland und Polen. Zudem wurde auch zwischen der Entwicklung und Situation west- und ostdeutscher Jugendlicher differenziert.
Sie erläutert, dass Grundschüler wesentlich besser bei PISA abgeschnitten haben als ältere Jugendliche. Und sie beschreibt, dass psychische Störungen schon bei 20 % der Jugendlichen auftreten. Sie untersucht die Belastungen und Stressbewältigungsformen bei Lehrern/-innen und betrachtet die unterschiedlichen Anti-Gewalt-, Suchtpräventions- und Schlichtungsprogramme hinsichtlich ihrer nachhaltigen Wirksamkeit und gibt Hinweise auf Veränderungsmöglichkeiten.
Die wenigen Graphiken wirken zwar nicht gerade gut aufbereitet und sind eher mühsam zu lesen. Bei einzelnen Untersuchungsergebnissen hätte man sich auch eine Darstellung in Form einer Tabelle oder Graphik gewünscht.
Dafür ist aber der Text durch und durch gut verständlich, lesbar und überzeugt insbesondere aufgrund der kompakten, dichten und die Ergebnisse klar zusammenfassenden Darstellungsweise. Die klare Gliederung und die abschnittsweise versehenen Zusammenfassungen überzeugen ebenso wie auch das umfangreiche, differenziert ausgewählte Literaturverzeichnis, welches sowohl deutsch- als auch anglo- amerikanisch sprachige Fachbücher und -beiträge enthält.
Ein Stichwortverzeichnis hätte wohl das Wiederauffinden von Textabschnitten und Untersuchungsergebnissen erleichtert.
Aber was erhält man schließlich bei der Lektüre dieses Fachbuches? Inge Seiffge-Krenke
Stellt sehr deutlich die Zusammenhänge von Stress, Stressbewältigungsverfahren und schulischen Leistungen sowie der gesundheitlichen Lage junger Menschen dar.
Sowohl Lehrer/-innen als auch (sozial-) pädagogische und psychologische Fachkräfte erhalten hier sowohl für den beruflichen Alltag als auch für die konzeptionelle Ausrichtung wertvolle Informationen zur Begleitung Jugendlicher und zur langfristigen Gestaltung pädagogischer und sozialräumlicher Angebote.
Besonders wichtig ist die Darlegung, wie schulisches Stresserleben und die Bewältigungskompetenz von jungen Menschen abhängig sind vom häuslichen Milieu und dass kulturübergreifende als auch kulturspezifische Faktoren eine Rolle spielen. Ein interessantes Untersuchungsergebnis ist auch, dass Alltagsstressoren langfristig bedeutender für das jugendliche Stresserleben sind als der Umgang mit kritischen Lebensereignissen. Des weiteren werden auch geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Bewältigungsstrategien beschrieben.
Zusammenfassend ist die Lektüre dieses Buches ein unbedingtes Muss für alle, die im Rampenlicht von PISA differenziert Schlussfolgerungen für die Bildung und Erziehung der jungen Generation ziehen möchten. Denn Ganztagesbeschulung und verstärkte Unterstützung für Schüler/-innen mit Migrationhintergrund (um nur zwei häufig genannte Konsequenzen aus der PISA- Studie zu nennen) allein greifen viel zu kurz. Vielmehr muss beispielsweise verstärkt in die Elternarbeit und die Stressbewältigungskompetenz (sowohl der Schüler- als auch der Lehrer/-innenschaft) sowie in strukturierten und vernetzten, institutionsübergreifenden Präventions- und Interventionsprogrammen investiert werden.