Ein amerikanischer Albtraum

James Ellroy

Buch, Broschiert
Ausgabe vom 30. Dezember 2009
Verkaufsrang: 57932 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783548281650
ASIN: 3548281656 (Amazon-Bestellnummer)
Ein amerikanischer Albtraum - James Ellroy
An James Ellroy scheiden sich die Geister und zwar nicht nur krimimäßig, sondern ganz allgemein auf literarischer Ebene. Sein charakteristischer Stil, geprägt von kurzen stakkatohaften Hauptsätzen und Wiederholungen in Endlosschleife, häufige Dokumenteneinschübe, ein schier unüberschaubares Panoptikum von Haupt- und Nebenfiguren sowie Gewaltorgien, die ihresgleichen suchen, reißen Leser und Kritik sowohl zu überschwänglichem Lob als auch zu Äußerungen tiefster Abneigung hin. In gewisser Weise hat die Süddeutsche Zeitung sicher Recht, bezeichnete sie Ellroy doch als den "wohl wahnsinnigsten unter den lebenden Dichtern und der Triebtäter der amerikanischen Literatur". Ellroy ist nicht zuletzt auch nach eigenem Bekunden ein zwanghafter Schreiber, der erst durch eine Art kreativer literarischer Selbsttherapie den traumatischen Verlust der Mutter, die in Ellroys Jugend durch ein bis heute nicht aufgeklärtes Verbrechen um's Leben kam, aufarbeiten konnte. Wahn schimmert zuweilen auch in dem von ihm immer wieder geäußerten Anspruch durch, der größte zeitgenössische amerikanische Schriftsteller zu werden bzw. zu sein. Doch in der Tat gehören seine Kriminalromane zum Besten, was jemals im Bereich des "Spannungsromans" mit all seinen fließenden Grenzen geschrieben wurde.
Ellroys neuester Roman Ein amerikanischer Albtraum schließt chronologisch dort an, wo Ein amerikanischer Thriller endete, nämlich am Tag der Ermordung John F. Kennedys im texanischen Dallas. Seine Fortschreibung einer Kriminalgeschichte der USA umfasst die Ermittlungen, die dem Attentat folgten, die Rassenunruhen der 60er-Jahre und die Eskalation des amerikanischen Engagements in Vietnam bis ins Jahr 1968. Die alten "Helden" tauchen wieder auf, fiktive wie auch reale Figuren der Geschichte. Politiker wie Lyndon B. Johnson und Robert Kennedy, CIA-Direktor J. Edgar Hoover, Sportgrößen wie Schwergewichtsweltmeister Sonny Liston, Mobster wie Moe Dalitz und Sam Gianciana, wie immer Howard Hughes und mittendrin (nicht nur dabei) die alten Freunde Pete Bondurant und Ward Littell. Ellroy nimmt dem Leser wie gewohnt schnell die Illusion einer Identifikationsfigur, denn nahezu ohne Ausnahme sind alle seine Haupt- und Nebenakteure mehr oder weniger skrupellose Profiteure, Gewalttäter und psychisch Deformierte. Jeder betrügt und täuscht, besticht und erpresst, zuweilen sogar im festen Glauben an eine so genannte "gute Sache". Und so ertappt man sich dabei, dem scheinbar am wenigsten kompromittierten Früchtchen seine Sympathie zu schenken.
Ellroy praktiziert eine andere Form amerikanischer Geschichtsschreibung und produziert dabei wirklich große Literatur, grandiose Kriminalliteratur. Hier erhält ein jeder die Gelegenheit, in epischer Breite, aber ohne Beschönigung und in atemloser Spannung die desillusionierende Geschichte eines Jahrzehnts zu verfolgen. -Ulrich Deurer