Ulrike Meinhof: Die Biografie

Jutta Ditfurth

Buch, Broschiert
Ausgabe vom 1. März 2009
Verkaufsrang: 46318 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783548372495
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Ulrike Meinhof: Die Biografie - Jutta Ditfurth
Man mag über Jutta Ditfurth denken, was man will. Auch muss man gewiss nicht allen Schlussfolgerungen und Mutmaßungen der Autorin folgen - ausdrücklich nicht hinsichtlich der Frage, ob Ulrike Meinhof sich tatsächlich selbst das Leben genommen hat oder nicht (Ditfurth scheint hier, auch wenn ihre diesbezüglichen Ausführungen ein wenig vage bleiben, der These zuzuneigen, dass es sich nicht um Selbstmord gehandelt habe). Eines aber wird man der Autorin kaum absprechen können: Ihre biografische Studie über Ulrike Meinhof basiert zweifellos auf der akribischsten Recherche über das Leben der RAF-Terroristin, die bisher von irgendwem geleistet wurde (allerdings hätte man sich schon gewünscht, ein wenig mehr über die Quellen zu erfahren, die die Autorin konsultiert hat!) Und so sehr man auch darüber streiten mag, ob der Meinhof so viel Aufmerksamkeit denn überhaupt gebührt: Wer immer sich in Zukunft mit Ulrike Meinhof publizistisch noch auseinandersetzen wird - um dieses Buch ebenso wenig herumkommen, wie um Bettina Röhls So macht Kommunismus Spaß. Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret.
Biografien dienen vor allen Dingen einem Zweck: einen Menschen in seinem Werden und Handeln in seiner Zeit, so weit dies denn überhaupt möglich ist, zu verstehen. Wie konnte es dazu kommen, dass er dieses oder jenes getan oder unterlassen hat? Weshalb hat sein Leben an diesem oder jenen Punkt eine so jähe Wendung genommen? Letzte Antworten auf diese Fragen kann Ditfurth für das Leben Ulrike Meinhofs zwar auch nicht geben. Aber sie hat doch einige bisher wenig bekannte Details zutage gefördert - und vor allen Dingen in einen in mancherlei Hinsicht erhellenden Zusammenhang gestellt.
Manchem mag die ehemals erfolgreiche Journalistin und spätere Terroristin angesichts der zweifellos großen Schuld, die sie auf sich geladen hat, zu sympathisch dargestellt erscheinen. Immerhin aber erfahren wir Details aus ihrer Kindheit und Jugend, die wir so bisher noch nirgends nachlesen konnten. Die Nazi-Verstrickung des Vaters etwa, von dem man bisher meist nur lesen konnte, dass er Christ und ein Gegner des Nazi-Regimes gewesen sei. Christ mag er gewesen sein. Aber er war ganz offenbar in Wahrheit alles andere als ein Gegner des NS-Regimes, sondern im Gegenteil sowohl selber Nazi, als auch Profiteur des Regimes. Auch über die Mutter und deren Freundin, die spätere Ziehmutter der Meinhof-Geschwister erfahren wir bislang Unbekanntes. Vor allem aber erhellt Ditfurth die politisch-historische Wahrnehmung der Meinhof, in dem sie uns die Zeitläufte der sechziger und frühen siebziger Jahre aus einer der Meinhof anverwandelten Sicht rekapituliert. Auch wenn die Autorin sich in mancher Einschätzung vielleicht ja irren mag, ist ihr doch ein alles in allem lesenswertes Buch gelungen, das, soweit wir dies überblicken, keineswegs nur Altbekanntes widerkäut. - Andreas Vierecke