Ich bedaure nichts: Tagebücher 1955-1963 (Brigitte Reimann)

Brigitte Reimann

Buch, Taschenbuch
Ausgabe vom 1. Aug. 2000
Verkaufsrang: 180573 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783746615363
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Ich bedaure nichts: Tagebücher 1955-1963 (Brigitte Reimann) - Brigitte Reimann
Aus der Amazon.de-Redaktion
Der Rezensent hatte keine Lust auf das Buch. Die Begeisterung der Reimann Fans in seiner Umgebung gingen ihm ebenso auf die Nerven, wie der Enthusiasmus von Karasek und Ranicki, abgedruckt auf dem Umschlag.
Bei der Lektüre änderte sich daran zunächst wenig: Bettgeschichten in anhaltinischer Provinzstadt. Vor 50 Jahren. Heute mit Fritz, morgen mit dem eigenen Gatten, übermorgen mit Franz. Dazwischen Selbstzweifel, Streit, Geldsorgen: Du meine Güte!
Zwei Lese-Abende später hatte ich ein anderes Problem: Wie schreibt man eigentlich eine Hymne? Das Buch zählt, daran besteht kein Zweifel, zu den großen Tagebüchern der deutschen Literatur. Es packt einen, man liest und liest, wird ärgerlich, traurig, bekommt Angst, freut sich und lacht mit der Heldin, die so vieles ist: manische Aufschreiberin, große Liebende, parteilos, parteiisch, Literaturstar zu Lebzeiten, Ulbrichts Hätschelkind zu ihrem Entsetzen, Dissidentin. Und im Herzen immer katholisch.
Brigitte Reimann ist seit fast 30 Jahren tot. Die völlige Verluderung ihrer geliebten DDR hat sie ebenso wenig erlebt wie deren Ende. Ihre Tagebücher sind politisches Denkmal der Hoffnungen, die die DDR einst band und des Wahnsinns dieser Hoffnungen. Wie Victor Klemperer sah Reimann den Faschismus in vielen Aspekten des - vorgeblich sozialistischen - Alltags.
Den Leser aber berühren andere Dinge und den Rang des Buches macht etwas anderes aus: Eine reißende, bis zur Selbstzerstörung gehende Leidenschaftlichkeit bei zugleich kalter und klarer Beobachtung der eigenen Person, der Menschen und Entwicklungen um sie her.
Es gibt sie noch, die guten Dinge. Jede Wette, dass Sie es mehrmals lesen werden. Eine Anschaffung fürs Leben. -Michael Winteroll