Hystorien. Hysterische Epidemien im Zeitalter der Medien.

Elaine Showalter

Buch, Broschiert
Ausgabe vom 1999
Verkaufsrang: 842340 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783746670225
ASIN: 3746670225 (Amazon-Bestellnummer)
Hystorien. Hysterische Epidemien im Zeitalter der Medien. - Elaine Showalter
Frauen werden hysterisch, weil ihre Gebärmutter im Körper herumwandert. Das sagten Mediziner früher. Heute bluten Geschlechtsteile ehemaliger Golfkrieger, und auch das ist Hysterie - eine Krankheit, die Ärzte nicht erklären können. Deshalb nennen sie Hysterie heute nur "ein Verhalten, welches den Anschein von Krankheit hervorruft". Aber Millionen Menschen trifft.
Die leben besser mit medizinisch klingenden Bezeichnungen, denn hysterisch will keiner sein. Werden Soldaten hysterisch, sagt man "Kriegsneurose!" Oder "Golfskriegs-Syndrom". Wenig wissenschaftlich klingt "Chronisches Müdigkeitssyndrom" - englische Ärzte nennen es lieber "Myalgische Enzephalomyetitis". Die wissenschaftlich tönenden Worte vertuschen auch die Unkenntnis der Mediziner.
Dieses Spiel läuft seit Jahrhunderten, und zwar besonders gut, seit Massenmedien mitspielen. Elaine Showalter, Medizinhistorikerin, beschreibt windige Ärzte und fälschende Psychologen, allen voran Freud. Die Kranken aber, kritisiert die Autorin, bleiben krank. Und nehmen sogar weitere Symptome des Syndroms an. Immerhin besorgt das einen Sündenbock, denn man gibt dem Syndrom die Schuld, daß es dem Betroffenen schlecht geht - und fragt nicht nach möglichen Ursachen bei sich selbst.
Seine eigenen Fehler sucht der Mensch bekanntlich gern bei anderen. Manche Frauen suchen die Ursache für ihr Unwohlsein in vergessenen Vergewaltigungen. Denn Massenmedien berichten, dass das massenhaft vorkommt und servieren so auch weitere Sündenböcke: Väter, Onkel, Lehrer. Fatalerweise sind die oft unschuldig.
Die Autorin beschreibt Fehler, Fälschungen, Justizopfer und schlußfolgert: Auch "Wiedergewonnene Erinnerung" ist Hysterie. Dafür hat sie Morddrohungen bekommen. Viele Kritikerinnen drehen durch, weil die Autorin sich Feministin nennt. Das ist sie auch. Die Princeton-Lehrerin zweifelt nicht am Leid der Hysterikerinnen. Vielmehr kritisiert sie gnadenlos gut: Mediziner verstärken das Leid, indem sie den falschen Ursachen nachgehen - aus Profitgier. Eine falsche Erklärung ist immer noch lukrativer als gar keine.
Therapien, Pillen, Ratgeberbücher vergolden auch die jüngsten Hysterien wie "Satanistischer Ritualmißbrauch" und "Entführung durch Außerirdische". Millionen Amerikaner sehen sich davon betroffen und vielleicht auch bald die Deutschen. Denn Massenmedien verbreiten die Hysterien epidemisch. -Frank Rosenbauer