Aus dem Schneider

Katrin Askan

Buch, Broschiert
Ausgabe vom Januar 2005
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Aus dem Schneider - Katrin Askan
Aus der Amazon.de-Redaktion

Ihre Mutter ist früh an einer Lungenkrankheit gestorben, ihre Schwester Ruth haben sie wegen staatsfeindlicher Aktivitäten festgenommen, ihr Vater besucht seinen Vater zum Achtzigsten in West-Berlin und bleibt drüben. Jetzt sitzt sie allein in dem großen Haus. In drei Stunden wird sie den Anlasser ihres Motorrads in der Garage unten bedienen und zur vereinbarten Autoraststelle fahren. Dort wartet jemand auf sie mit einem Platz im Kofferraum. Die folgenden Minuten werden über ihr Schicksal entscheiden. Nicht weglaufen, falls sie dich entdecken, hatte Vater gesagt. Sie könnten schießen. Man würde dann versuchen, sie aus dem Gefängnis frei zu kaufen. Falls der Mann an der Raststelle die Scheiben putzt, heißt das, dass der Plan von vorn herein gescheitert ist. Heute hat sie das Haus noch mal geheizt. Man muß immer mit einer Rückkehr rechnen. Untersuchungskommandos nach Vaters Flucht. Nachts Schritte im Haus. Das Geheimfach hinter der Tapete. Glimmende Zigaretten vor dem Gartenzaun, die man aus dem dunklen Zimmer beobachten kann. Kurz vor der eigenen Flucht zieht die ganze Familiengeschichte noch einmal an ihr vorüber bis zurück zum Leben des Großvaters im zweiten Weltkrieg. Da liegt noch der Schlafanzug ihrer Schwester. Was würde sie mitnehmen, wenn sie etwas mitnehmen könnte? Wird sie in einigen Stunden aus dem Schneider sein? Was in einem Menschen vorgeht, der sich in einer solchen Situation befindet, hat Katrin Askan in ihrem autobiografischen Buch äußerst einfühlsam beschrieben. Um das enorme Spannungsfeld der aufgescheuchten Gedanken und Gefühle baut sich ein sehr plastisches Bild vom Funktionieren des untergegangenen Kontrollstaates auf. Ostdeutsche Leser werden beim Lesen immerzu bestätigend mit den Köpfen nicken. Westdeutsche Leser werden eine genaue Vorstellung von den Abläufen hinter ihrer bunt gestalteten Mauerseite erhalten. Ein literarisch glanzvoll verarbeitetes und zehn Jahre nach dem Mauerfall immer weniger vorstellbares Stück Geschichte. --Daphne von Unruh Amazon.de
Die Autorin Katrin Askan wurde 1966 in Ostberlin geboren; später floh sie in den Westen. Damit hat sie das Thema ihrer späteren Veröffentlichungen gefunden. Judith, die Hauptperson des neuen Romans Aus dem Schneider, trägt stark autobiografische Züge ihrer Schöpferin. Judith lebt in Ostberlin und hat sich nach dem Vorbild des Vaters, der nach einem Besuch nicht mehr aus dem Westen zurückgekehrt ist, ebenfalls zur Flucht entschlossen. Einige Stunden bevor es losgehen soll, ist sie dabei, von ihrem Elternhaus Abschied zu nehmen. Ein letztes Mal streift sie durch die leeren Zimmer, denkt mit Wehmut an ihre vier Jahre ältere Schwester Ruth, die wegen Staatshetze im Gefängnis sitzt. Der Grund, warum Judith in der DDR und nicht im Westen aufgewachsen ist, ist denkbar banal. Ihr Großvater hat, als seine Frau schwanger war, in Berlin ein Grundstück gesucht. Zwei hatte er zur Auswahl gehabt. Da ihm aber die Straßenbahn in den Südwesten vor der Nase weggefahren war, und er auf die nächste eine halbe Stunde hätte warten müssen, machte er sich auf den Weg in das östliche Stadtviertel. -- Eine folgenschwere Entscheidung. Katrin Askan verfolgt die Geschichte von Judiths Familie über fünfzig Jahre, von 1936 bis 1986 und erzählt sie in einer glasklaren, schnörkellosen Sprache. Geschickt arbeitet sie mit zwei zeitlichen Erzählsträngen, die sie am Schluss raffiniert miteinander verknüpft. Ein wichtiger Roman, der verhindert, dass die quälenden Jahre in der untergegangenen DDR allzu schnell vergessen werden. --Manuela Haselberger