Analysen und Reflexionen, Bd.51, Friedrich von Schiller 'Die Räuber': Jugendprotest, politisches Lehrstück, philosophisches Welttheater

Friedrich von Schiller, Martin H. Ludwig

Buch, Taschenbuch
Ausgabe vom 2002
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Analysen und Reflexionen, Bd.51, Friedrich von Schiller 'Die Räuber': Jugendprotest, politisches Lehrstück, philosophisches Welttheater - Friedrich von Schiller, Martin H. Ludwig
Es fällt nicht leicht, Schillers Drama "Die Räuber" erschöpfend zu interpretieren. Dabei scheint sich der Gehalt des Stückes auf den ersten Blick schnell zu erschließen: In den "Räubern" kämpfen zwei Brüder um die Nachfolge des väterlichen Erbes. Der eine - Franz Moor - benutzt Hinterlist und Brutalität, um die Herrschaft zu erlangen und zu festigen, der andere - Karl Moor - taucht unter und kämpft als Räuber um die ihm angestammte Position.Weil Karl Moor auch als Räuber noch Züge von Anständigkeit und Wertbewusstsein verkörpert, kann man ihn gleichsam als Rächer der Unterdrückten verstehen. Aus diesem Grunde und weil in dem Stück - wie wir heute sagen - "action" abläuft und die Personen sich einer polternden und kraftmeiernden Sprache bedienen, beeindruckte das Drama vor allem junge Leute. Signalisiert nicht auch die Titelvignette mit einem Löwen und der Inschrift "In Tirannros" ("Wider die herrschenden Tyrannen") jugendlichrevolutionäre Stimmung? Den späteren Betrachter stört es
nicht, dass das aufrührerische Motto gegen Schillers Wissen erst in einer zweiten Auflage dem Stücke vorangestellt wurde. Ihm repräsentiert es Karl Moors Auftritt in einer angemessen Formel."Das war", versetzte Goethe, "vor fünfzig Jahren wie jetzt und wird auch wahrscheinlich nach fünfzig Jahren nicht anders sein. Was ein junger Mensch geschrieben hat, wird auch wieder am besten von jungen Leuten genossen werden. Und dann denke man nicht, dass die Welt so sehr in der Kultur und gutem Geschmacke vorschritte, dass selbst die Jugend über eine solche rohere Epoche hinaus wäre. Wenn auch die Welt im ganzen voranschreitet, die Jugend muss doch immer wieder von vorn anfangen und als Individuum die Epochen der Weltkultur durchmachen.Zunächst scheint es tatsächlich so, wie Eckermann und Goethe einander zustimmen: "Die Räuber" sind ein Spaß für die Jugend, und wie die anderen frühen Stücke Schillers gelten sie "mehr [als]Äußerungen eines außergewöhnlichen Talents, als dass sie von großer
Bildungsreife des Autors zeugten."Hinter einer vordergründigen Interpretation der "Räuber" wird bei genauerem Hinsehen ein vielschichtiger Bildungsgrund sichtbar, der - ganz im Gegenteil zu Goethes Urteil - von einer unerhörten Bildungsweite zeugt. Dieses Büchlein hat sich die Aufgabe gesetzt, den weiteren Bildungshorizont hinter den Schillerschen Hauptcharakteren Karl und Franz Moor sichtbar zu machen. Dabei wird nicht die Bildungsweite gegen ein Jugendliches Interesse gesetzt, sondern die Fragestellung lautet: Warum ist Schillers Stück "Die Räuber" trotz des in ihm offenbarten Bildungsstoffes über 200 Jahre publikumswirksam geblieben?Der Bildungshorizont hinter Karl und Franz Moor ist derart weit gespannt, dass für dieses Bändchen eine Konzentration auf die Hauptfiguren angebracht erscheint. Überdies erscheinen alle anderen Figuren kaum als eigenständige Charaktere, sondern sie bringen lediglich die Züge der beiden Hauptpersonen besser zur Geltung, so dass sich auch vom gestalte
rischen Konzept des Dichters her eine Konzentration der Interpretation auf die beiden Hauptgestalten rechtfertigt.