I killed people: Wenn Kinder in den Krieg ziehen

Margrit Schmid, Alice Schmid

Taschenbuch
Ausgabe vom 2001
Verkaufsrang: 402787 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783889775993
ASIN: 3889775993 (Amazon-Bestellnummer)
I killed people: Wenn Kinder in den Krieg ziehen - Margrit Schmid, Alice Schmid
"Wir haben sie an die Macht gebracht, und sie haben uns vergessen." Der das sagt ist 22, drogensüchtig und ein Krüppel. Er hat keine Ausbildung und keinen Job. Um etwas zu essen zu bekommen, geht er auf die Straße und bettelt. Oder er überfällt sie. Hält ihre Luxuskarossen an und fordert ihre Hilfe ein. "Sie", das sind der liberianische Staatspräsident Charles Taylor und seine Gefolgsleute. "Er" heißt Glasgow. Aber das ist nicht sein richtiger Name. Einen richtigen Namen hat er nicht mehr.
Glasgow ist einer von vielen tausend jungen Liberianern, Männer wie Frauen, die ihre Kindheit und Jugend als Soldaten im liberianischen Bürgerkrieg verloren haben. Gemeinsam mit vier anderen Kriegsveteranen steht er im Mittelpunkt des Buches I killed people, in dem Alice und Margrit Schmid exemplarisch das Schicksal der weltweit schätzungsweise 300 000 Kindersoldaten dokumentieren, die derzeit in bewaffneten Konflikten kämpfen. Die in dem Band zusammengetragenen Fakten und Dokumente bilden den Hintergrund für einen gleichnamigen Dokumentarfilm, den Alice Schmid 1999 gedreht hat.
In einigen einleitenden Kurzkapiteln geht es zunächst um den völkerrechtlichen und politischen Kontext, in dem die Problematik der Kindersoldaten steht. Der historische und politische Hintergrund des liberianischen Bürgerkriegs, der durch seine komplizierte Verflechtung von Kolonialisierungsgeschichte, ethnischer Vielfalt und sozialen Spannungen sicherlich als typisch für viele afrikanische Kriege gelten kann, wird in einem zweiten Teil umrissen.
Der eigentliche Schwerpunkt des Buches aber liegt auf den Interviews, die Alice Schmid mit fünf Kriegsveteranen in Monrovia geführt hat. Neben Glasgow ist da zum Beispiel Melvin. Auch er ist 22, auch er hat, wie Glasgow, von den Rebellenführern Drogen bekommen, damit er die Angst überwindet. Die Angst, vom Gegner erschossen zu werden, die Angst, den Gegner zu erschießen. Melvin ist heute blind, und deshalb träumt er viel. Von seinem Vater, der vor seinen Augen ermordet wurde. Und von der Zeit, als er mit seinen Freunden noch in die Schule ging, vor dem Krieg. Eine abgeschlossene Ausbildung haben auch Maud und Josephine nicht. Auch sie haben mit den Soldaten gekämpft, auch sie sind für den Kampf, aber genauso zur sexuellen Befriedigung der Kämpfenden missbraucht worden. Man ist nicht sicher, ob man Maud glauben soll, dass es wirklich andere Frauen sind, die sie heute an Männer verkauft, um zu überleben.
Obwohl das Buch keinen wissenschaftlichen Anspruch erhebt, trägt die "oral history" der fünf Interviews mehr zur Aufarbeitung und zum Verständnis dessen bei, was in vielen Kriegsgebieten vor sich geht, als umfangreichere Darstellungen es könnten. Warum Kinder zu Soldaten werden, welchen Qualen sie an der Front ausgesetzt sind und welche langfristigen Folgen diese Erlebnisse nicht nur für die einzelnen Menschen, sondern auch für die sozialen Strukturen der betroffenen Gesellschaften nach sich ziehen, all dies wird hier auf wenigen Seiten überdeutlich. Die Befehlshaber der Kinderarmeen versprechen den Jugendlichen, sie nach dem Sieg mit einer Grundversorgung, vor allem aber mit einer Ausbildung zu belohnen. Eingehalten wird dieses Versprechen in aller Regel nicht. Und dieser völlige Verlust einer Zukunft schmerzt Maud, Melvin und Glasgow mehr als alle körperlichen Wunden. -Anneke Hudalla