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Über die Zeit: Elemente einer Philosophie des LebenFrancois JullienBuch, Taschenbuch Ausgabe vom Mai 2004 Verkaufsrang: 431487 (je kleiner desto beliebter) ASIN: 3935300433 (Amazon-Bestellnummer)
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»Musste die Zeit gedacht werden? Musste die Zeit gedacht werden, während man doch seit den Griechen weiß, dass ihre Einteilung nach den Zeiten der Konjugation ihre Existenz unfassbar macht? Und dass sie, wenn sie den Lauf des Lebens überschattet, uns die Möglichkeit nimmt, das Leben als eine Wegstrecke zwischen Beginn und Ende vorzustellen, und uns statt dessen von vornherein auf sein Ende hin ausrichtet? Dem von den Dichtern ständig wiederholten carpe diem! zum Trotz begreifen wir noch immer nicht, was es heißen kann, im Jetzt zu leben... Das ist der Grund, warum ich auf dem Umweg über das chinesische Denken versucht habe, aus dieser großen Faltung der Zeit herauszutreten. Denn China hat den jahreszeitlichen Augenblick und die Dauer der Prozesse gedacht, nicht aber jene Hülle, welche sie beide enthielte und welche die homogene Zeit wäre die abstrakte Zeit. Damit fordert uns China auf, die Formel Montaignes neu zu lesen: nicht in der Gegenwart, sondern à propos zu leben; sowie uns jenen geläufigen Begriffen zuzuwenden, welche die Philosophie, indifferent gegenüber dem Wesen der Jahreszeit, noch kaum erforscht hat: der Opportunität des Augenblicks und der Disponibilität im Gegensatz zur Vorwegnahme. Ich nehme hier versuchsweise für die Weisheit Partei: könnte es sein, dass Leben gemäß der Gegebenheit des Augenblicks zu denken wäre und nicht als Intervall, und folglich hieße, aus dem großen existenziellen Drama, das die Philosophie durch die Aufrichtung der Zeit so machtvoll organisiert hat, herauszutreten?« F.J.
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