The Legendary 1965 Recording (Werke von Chopin)

Martha Argerich

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 8. April 1999
Verkaufsrang: 3139 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0724355680525
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The Legendary 1965 Recording (Werke von Chopin) - Martha Argerich
Wie kann es passieren, daß eine Aufnahme von einer der derzeit fraglos unvergleichlichsten Pianistinnen, die wenige Monate nach ihrem Triumph beim 1965er Internationalen Warschauer Chopin Wettbewerb einen Teil ihres Lieblingsrepertoires darbietet, jahrzehntelang in den Lagerhallen vor sich hin dämmern konnte, ehe sie offiziell auf den Markt gebracht wurde? Es ist wohl den Exklusivrechten rivalisierender Plattenfirmen und rechtlichen Restriktionen anzukreiden, aus denen nicht einmal Wotan persönlich sich mit Lokis Hilfe hätte befreien können. Zum Glück ist diese verspätete EMI-Veröffentlichung - aufgenommen in wenigen Sitzungen in den Abbey Road Studios - endlich erhältlich.
Sie ist eine bedeutende Ergänzung zu Argerichs anderen Chopin-Platten. Angesichts Argerichs glühender Intensität bei der Auseinandersetzung mit dem Komponisten ist leicht zu begreifen, was die Jury in Warschau kurz zuvor so begeistert hatte. Die argentinische Pianistin begreift die "Dritte Sonate" als riesige, stimmgewaltige, weitreichende Aussage, die sowohl schmelzende Kraft als auch Momente beinahe unerträglich intimer Lyrik umfaßt (Hören Sie sich ihre Gesten der Erläuterung beim Largo genau an!). Mit typisch ungezwungener Spontanität schlägt Argerich die schmetternden Akkorde an, die das Finale einleiten (das in einem Rutsch aufgenommen wurde); ihr Sinn für fließende Bewegung im "Nocturne Nr. 4" ist ein perfektes Netz für die Illusion der Improvisation, die bei Chopin so sehr im Mittelpunkt steht. Sie bestimmt die Logik - sowohl emotional als auch musikalisch - bei den übermütigen Wendungen des Komponisten im "Scherzo Nr. 3" und drechselt aus drei der Mazurkas perfekt ziselierte Charakterstücke. Die bloße Kraft von Argerichs Persönlichkeit mag jenen, die an einen zahmeren Chopin gewöhnt sind, überwältigend erscheinen - hören Sie sich einmal an, wie sie in die "Polonaise in a-Moll" eintaucht -, aber es ist immer mühevoll, alte Klischees zu entstauben und den expressiven Reichtum der Musik zu enthüllen. Für jene, die Argerichs Kunstfertigkeit bereits kennen, ist diese Platte unerläßlich; wer diese beneidenswerte Entdeckung erst noch machen muß, findet hier (und in der Argerich Anthologie aus der Philips' Great Pianists Serie) einen großartigen Startpunkt. -Thomas May