Clarinettes

Louis Sclavis

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 1. Januar 2000
Verkaufsrang: 705758 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 3365420200421
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Clarinettes - Louis Sclavis
Archäologie hat etwas Überraschendes. Denn neben all dem Geröll und Gerümpel früherer Generationen wird manchmal auch ein Juwel zu Tage gefördert, das verloren und vergessen im Erdreich der Kulturgeschichte ruhte. Clarinettes ist so ein Fall. Das Debütalbum des französischen Klarinettisten und Komponisten Louis Sclavis entstand im Herbst 1984 als Solo-Collage in einem Studio in Lyon und markiert den Beginn einer ungewöhnlichen Karriere. Denn wie kaum ein anderer Musiker des europäischen Jazz hat es der inzwischen 47-jährige Virtuose und Freigeist geschafft, sich mit heterogener und zuweilen immens komplexer Klangarchitektur ein großes Publikum zu erspielen.
Clarinettes macht deutlich, wie es dazu kommen konnte. 34 kurzweilige Minuten präsentieren Sclavis als Humoristen und Analytiker, der es schafft, eine Vielzahl divergierender kultureller Impulse zu einem emotional dichten Geflecht der Höreindrücke zu kombinieren. Folkloristisches scheint hindurch, abstrahiert, aus dem Funktionszusammenhang der Tanzböden herausgelöst und auf den Kern der Aussagekraft reduziert. Die Erfahrungen der gestalterischen Freiheit, die er im Gefolge der französischen Free-Jazz-Bewegung gesammelt hatte, werden zu einem individuellen Konzentrat verdichtet, das die Offenheit als Expressivität, nicht als Selbstdarstellung nützt. Sclavis' in mehreren Spuren übereinander gelegte Klarinettenfantasien nützen bereits viele der späteren Merkmale seiner Individualstilistik. Sie wirken in wilder Arpeggiatur flächig, im gewollt hörbaren Gebrauch der Klappen perkussiv und in der moderaten Verfremdung des Klangs wie ein ganzes Orchester. Ohne diesen Sclavis gäbe es keinen Michael Riessler, noch nicht mal einen Giora Feidman. Schon aus diesem Grund ist Clarinettes ein Grundlagenwerk. -Ralf Dombrowski