Ovo

Peter Gabriel

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 7. Juni 2000
Verkaufsrang: 36953 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0766486150621
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Ovo - Peter Gabriel
OVO

Was denn in ihn gefahren ist, kann man sich fragen, den Humanisten, Philanthropen, den politisch korrektesten unter den politisch Korrekten, dass er sich und seine Talente einem soziopolitisch nicht eben unbelasteten architektonisch-finanziellen Overkill-Projekt wie dem Millennium Dome zur Verfügung stellt?! Und vermutlich werden auch sehr viele aus Peter Gabriels großer, treuer Fangemeinde das auch tun - jedenfalls in zweiter Linie. In erster Linie werden sie diese ersten neuen Aufnahmen nach dem 92er Us begierig aufsaugen, womöglich, um festzustellen, daß das Vergnügen ein duchaus durchwachsenes ist.
Nicht erst seit seinen Filmmusiken zu Alan Parkers Birdy und Martin Scorceses Passion (dt. Filmtitel: "Die letzte Versuchung Christi") ist Gabriels Musik bekannt für ihre Bildhaftigkeit, ihre suggestiven Qualitäten, dafür, dass sie im Kopf des Hörers Bilder entstehen lässt. Und wenn auch nicht für einen Film, so ist dieses Album doch auch ein Soundtrack. Die "Millennium Show" ist ein multimediales Spektakel nach Art des Cirque Du Soleil - Akrobaten, Tänzer, Licht und Sound -, zu dessen musikalisch-inhaltlicher Ausgestaltung Gabriel von Mark Fisher gebeten wurde, der schon Bühnensets für Bands wie U2 oder Pink Floyd gestaltete. Die zwei entwarfen die Geschichte von drei Generationen einer Familie in einer sich stark verändernden Welt, von der sie geprägt und gelenkt werden, während sie sie gleichzeitig gestalten.
Gabriel selbst agiert als Komponist, Hauptinstrumentalist und eine unter mehreren exzellenten Stimmen - u.a. Liz Fraser (Cocteau Twins), Paul Buchanan (The Blue Nile) und Richie Havens, dessen Einfluss auf Gabriels Gesangsstil hier geradezu frappierend deutlich ist. Die Musiker kommen aus dem weiten Feld zwischen Rock und ethnischen Musiken - der indische Geiger Shankar, Bassist Tony Levin, die Drummer Steve Gadd und Manu Katché, der türkische Flötist Kudsi Erguner, die Trommler der Dhol Foundation usw. Und natürlich gelingt es Gabriel wie immer auch hier, sich auf seine ureigenste Art aus- und an jeder Peinlichkeit vorbei zu drücken. Manchmal allerdings nur knapp, wenn z.B. Irish Folk in einer Verfassung auftaucht, die weniger Authentizität vermittelt als vielmehr Musical. Aber schließlich - etwas in der Art ist ist diese Jahrtausend-Schau ja auch. 3 Vorstellungen täglich im Millennium Dome. -Rolf Jäger
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Sein neues reguläres Studioalbum lässt, fast acht Jahre nach Us (1992), immer noch auf sich warten. Stattdessen erlag Multitalent Peter Gabriel wieder einmal der Faszination des Multimedialen: Für den zum Jahr 2000 an der Londoner Themse erstellten "Millennium Dome" konzipierte er die "Millennium Show", gemeinsam mit Mark Fisher, seit seinen Liveshow-Konzepten für Pink Floyd, die Rolling Stones oder U2 ausgewiesener Experte fürs Gigantische. Für den Fan der reinen Pop-Rock-Hits aus Gabriels Mühlen-Songschmiede in Bath ist OVO eine durchwachsene Angelegenheit: Zwar hat Gabriel die Musik komplett geschrieben, doch ist für die zirkusähnliche Londoner Artisten-Show im Stil des "Cirque Du Soleil" etliches eher als atmosphärischer Soundtrack angelegt, der die Wechselfälle einer Familie im ausgehenden 20. Jahrhundert über drei Generationen spiegelt.
Zudem hält Gabriel sich gern vornehm zurück und lässt Vokal-Akteuren wie Woodstock-Veteran Richie Havens, Elizabeth Fraser (Cocteau Twins) oder Paul Buchanan (The Blue Nile) zumindest partiell den Vortritt. So beeindruckt "The Man Who Loved The Earth/The Hand That Sold Shadows" als eine dynamisch faszinierende, aber anstrengende, rein instrumentale Sound-Collage aus Elektronik, archaischen Drum-Rhythmen und Didgeridoo-Klängen, rollt "Revenge" kurz und knackig zu donnernden Tribal Rhythms dahin. "Make Tomorrow" schlüpft ins Gewand eines kraftvollen Elektro-Rock-Songs, bei dem alle Vokalisten den Gesangspart teilen, ebenso in "Downside-up", das zwischen Pop-Melancholie und orchestraler Inszenierung schwankt.
Gabriel pur, soft und brüchig, gibt's im elegischen Keyboard-Stück "Father, Son", wie im rockelektronischen Powerstück "The Tower That Ate People", mit vertraut wirkenden "Steam"-Anklängen. (Ganz aus der Reihe tanzt das vitale "XXX???XXX", in dem Hit-HipHopperin Neneh Cherry und Rasco die "Millennium Show"-Thematik im Rap-Raffer auf den Punkt bringen.) So ist "OVO - The Millenium Show" sicher nicht der erhoffte große Wurf für "klassische" Gabriel-Fans, aber allemal ein spannungsreiches Konzeptalbum. -Claus Böhm