Selmasongs - Music from Dancer in the Dark

Ost, Björk

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 18. September 2000
Verkaufsrang: 16109 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0731454920421
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Selmasongs - Music from Dancer in the Dark - Ost, Björk
Selma Songs ist nicht das vierte Björk-Soloalbum, sondern "nur" ein von ihr konzipierter Soundtrack. Nach Homogenic (1997) hatte Björk die Musik erst einmal links liegen gelassen: Mit Haut und Haaren stürzte sich die wandlungsfähige isländische Pop-Artistin in Lars van Triers Filmprojekt Dancer In The Dark. Schlagzeilen über heftige Konflikte mit dem Regisseur machten die Runde; die Hauptrolle der amerikanischen Einwanderin Cvelda, die erblindet und mordet, um ihren Sohn vor demselben Schicksal zu bewahren, brachte Björk an ihre psychisch-physischen Grenzen - so sehr ging sie in der Rolle der in einer Traumwelt Gefangenen, jegliche Geräusche in Musik verwandelnden Protagonistin auf.
Der Film wurde bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, Björk kassierte für ihr Leinwanddebüt die Trophäe als beste Schauspielerin. Dass van Trier die experimentierfreudige Sängerin außerdem zum Soundtrack überredete, erweist sich als kluge Wahl. Mit Weggefährte Guy Sigsworth, Arrangeur Vince Mendoza und dem schon bei Homogenic involvierten Orchester verknüpft Björk wieder einmal scheinbar Unvereinbares, würfelt Klassizismen, Samples, monumentale Filmmusik und zeitgenössische Dance-Rhythmen aus der Elektronikküche durcheinander, kontrovers, anspruchsvoll.
Selma Songs startet mit einem instrumentalen Intro von aufwühlender Cinemascope-Dimension, dann schwingt Islands Superstar das Zepter. "Smith & Wesson (Scatter Heart)" oder "In The Musicals - 1 & 2" hätten sich auch bruchlos in ihr jüngstes Album eingefügt - und wären positiv aufgefallen: Das erste transformiert den Spieluhr-Charakter eines kindlichen Schlaflieds in groovy Loops, die Björks durch den Raum irrlichternde Stimme unterfüttern, im zweiten ranken sich ihre Vocals um hibbelige Rhythmen und flauschige Orchester-Parts. Inniges, dramatisches Film-Sentiment verkörpert das Balladen-Duett "I've Seen It All" mit Thom Yorke (Radiohead), "Cvelda2 hingegen verkuppelt industrielle Sounds zwischen Musique Concrète und Einstürzende Neubauten mit jazzigen Bigband-Turbulenzen und exaltierter Vokalartistik. Derart ambitionierte Musik geht eher selten direkt ins Ohr, belohnt indes geduldiges Einhören durch immer neue Überraschungen und kennt kein Verfallsdatum. -Claus Böhm
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Entweder man liebt oder hasst sie, die eigenwilligen, melancholisch-depressiven Lieder von Björk. Gleiches gilt für die streitbare Person der exzentrischen, kapriziösen Sängerin aus Island. Doch ihre nicht gespielte, sondern offensichtlich gelebte Rolle in diesem außergewöhnlich packenden Spielfilm-Musical, zu dem sie auch die Musik beigesteuert hat, dürfte jetzt selbst ihre "Gegner" bewegen!
Genaugenommen ist Dancer In The Dark ein Drama. Es erzählt die Geschichte der tschechischen Immigrantin Selma Jezkova (Björk), die in den USA auf dem Land lebt. Um ihrem harten Job in einer Fabrik und bei der Heimarbeit zumindest zeitweise zu entfliehen, träumt die allein erziehende Mutter sich samt ihrem Umfeld in Hollywood-Musicals.
Angesiedelt ist Lars von Triers Experimentalfilm anno 1964. Stilistisch spiegelt er allerdings die Musicals der 40er Jahre wider. Diesem Genre hat Frau Gudmundsdottir (* 21.11.1965) bereits in dem Video zu "It's Oh So Quiet" ihre Referenz erwiesen. Gute Voraussetzungen für den Soundtrack, auf dem die klassisch geschulte Künstlerin ihren akademischen Musik-Kenntnissen gut eine halbe Stunde lang frönen kann. Der schwermütigen, instrumental-orchestralen "Overture" folgt "Cvalda", das (im Duett mit Co-Hauptdarstellerin Catherine Deneuve vorgetragen) den Björk-typischen Klang-Kosmos durch Bigband-Einschübe und Streichersätze würzt.
Die symphonische Ballade "I've Seen It All" singt sie zusammen mit Thom Yorke (Radiohead). "Smith & Wesson (Scatter Heart)" ist mit sechseinhalb Minuten nicht nur das längste Stück der CD, sondern ebenso verhalten-hypnotisch wie emotional-faszinierend! "In The Musicals" kombiniert elektronische Percussion mit Sound-Fetzen wie sie für "West Side Story" oder "Sound Of Music" typisch sind, und das dramatisch strukturierte "New World" ist ein fulminanter Ausklang.
Unstrittig: Die von Björk gesungenen Stücke sind unkonventionell und ergreifend. Im Film versinkt sie dabei in einer Welt, die viel farbenfroher und klarer ist als die Wirklichkeit der von ihr dargestellten nahezu blinden Frau. Im Übrigen überzeugt die Bewunderin von Alfred Hitchcocks Score-Komponist Bernard Hermann auch als Akteurin. Bei den Filmfestspielen in Cannes 2000 erhielt sie für ihr zweites Engagement als Schauspielerin nach der Gebrüder-Grimm-Märchen-Verfilmung The Juniper Tree (1987) den Preis als Beste Darstellerin! -Thomas Hammerl