Thomas Quasthoff: Schwanengesang (Schubert), Vier ernste Gesänge (Brahms)

Thomas Quasthoff

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 5. April 2001
Verkaufsrang: 5337 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0028947103028
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Thomas Quasthoff: Schwanengesang (Schubert), Vier ernste Gesänge (Brahms) - Thomas Quasthoff
Düsteren Prognosen zum Trotz: Das Kunstlied lebt - daran kann im Hinblick auf CD-Veröffentlichungen der letzten Zeit kein Zweifel bestehen. Allein Schuberts Schwanengesang, der unter den Liederzyklen des Meisters immer ein wenig Stiefkind-Charakter behält, weil er in Wahrheit so nicht von Schubert zyklisch konzipiert, sondern postum vom Verleger zusammengestellt wurde, erfreut sich in jüngerer Vergangenheit regelmäßiger Präsenz unter den Veröffentlichungen der Schallplattenlabels. Graham Johnson bereichert seine Hyperion Schubert Edition mit diesem Werk, gesungen in der originalen (Tenor-)Lage von John Mark Ainsley und Graham Johnson; Fischer-Dieskaus erste Aufnahme des Schwanengesangs aus den Fünfziger Jahren, eine Messlatte für folgende Interpretationen, wurde kürzlich wiederveröffentlicht.
Anders als Fischer-Dieskau, der die Lieder in mittlerer Lage sang, wählte Thomas Quasthoff für seine Einspielung des Schwanengesangs durchgehend die Basslage - ohne Not, wie sich spätestens bei den ebenfalls enthaltenen Vier ernsten Gesängen von Brahms zeigt, wo Quasthoff mit entspannten und wohlklingenden hohen Tönen brilliert. Vielmehr beeinflusst die tiefere Stimmlage, sofern man wie Quasthoff über die nötige Klangfülle im unteren Bereich verfügt, den Charakter einiger dieser Lieder auf interessante Weise: "Aufenthalt" oder "Ihr Bild" faszinieren durch dunkle Fülle, und "Der Atlas" entbehrt jeder unangenehmen stimmlichen Anspannung.
Selten nur gönnt Quasthoff sich jenen schmelzend-sentimentalen Klang, der an Fischer-Dieskaus oben erwähnter Aufnahme so reizvoll ist. Quasthoff, der durchweg rasche Tempi bevorzugt, macht in Liedern wie "Liebesbotschaft" oder "Taubenpost" eine andere, weniger gefällige Schicht hörbar: Immer drängt es ihn voran, hinter jeder Idylle scheint eine weniger freundliche Realität zu lauern. Das "Fischermädchen" verliert auf diese Weise allerdings etwas an Charme.
Großartig gelingt neben dem populären "Ständchen" auch das unbequeme "In der Ferne", dem schon John Mark Ainsley in der Einspielung mit Graham Johnson faszinierende Nuancen abgewinnen konnte. Bei Quasthoff überzeugt einmal mehr die sonore Kraft seiner Stimme, gepaart mit präzisem, stets auf der Textaussage basierenden Ausdruckswillen.
Was der hervorragende Begleiter Justus Zeyen im Schwanengesang bereits an pianistischem Geschick präsentieren konnte, vollendet er in den Vier ernsten Gesängen: Mühelos und glasklar perlen die schwierigen Achteltriolen im ersten Lied, sensibel und durchsichtig verfolgt er stets die einzelnen Stimmen des komplexen Brahmsschen Satzes, ohne dabei an geballter Klangpracht zu verlieren. Alles in allem legen die beiden Künstler eine begeisternde Neuaufnahme der beiden Zyklen vor, die den Schallplattenkatalog um eine wertvolle Einspielung reicher macht. -Michael Wersin