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Wer Tom Harrell spielen sah, den lässt der Eindruck nicht mehr los. Scheinbar abwesend, beinahe apathisch steht er (der Band lauschend?) seitlich der Bühne und erwacht erst in jenem Moment zum Leben, da er sein Instrument ansetzt. Dass der ungewöhnliche Trompeter an Schizophrenie leidet, hat seine Musik nie beeinträchtigt. Sein eindringlicher lyrischer Ton, die konsequente, sparsame Linienführung, sein charakteristischer Kompositionsstil faszinieren bei jeder Begegnung erneut. Musiker wie Stan Kenton und Horace Silver brachten ihn erstmals ins Rampenlicht; in den 70er-Jahren spielte Harrell unter anderem mit Bill Evans, Lee Konitz und George Russell. Die eigenen Projekte des New Yorkers tänzeln verträumt und verspielt um (selbst definierten) Zeitgeist und Tradition. Bestechend authentisch wird alles, was er anfasst; wenn Harrell Mainstream spielt, gehen auch die Avantgarde-Herzen auf, wenn er raffinierte Kontrapunktik in moderne Formen gießt, lacht auch der Bebop-Freund. Mit seiner wahrhaftigen Liebe zum Jazz, gleich welcher Form, erreicht sie Harrell alle. Das neue Album Paradise brilliert mit hervorragenden Musikern und exzellentem Sound. Nah und voll, trotzdem sternenklar schmiegt sich Klang an Klang. Ein hinreißendes Streichquintett spielt Avant-Folklore und Counterparts, endlich mal ohne Kitsch, endlich mal mit Geschmack und endlich mal mit dem saftig holzigen Klang, der diesen Instrumenten gerecht wird. Tom Harrells Stücke schaffen Stimmungen zwischen groovigem Modern-Latin und Swing, modulierter Klassik-Folklore, osteuropäischer Tristesse und Broadway-Nostalgie. Eine durch und durch gefühlsgetränkte Aufnahme ohne Wenn und Aber. -Katharina Lohmann |
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