Der Herr Karl

Helmut Qualtinger, Karl Eidlitz, Paula Nefzger

DVDs, DVD
Verkaufsrang: 11947 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0743219298898
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Der Herr Karl - Helmut Qualtinger, Karl Eidlitz, Paula Nefzger
Der Zweite Weltkrieg? Mit dem hat Karl nichts zu tun gehabt. Ebenso wenig wie mit den Nazis. Nein. Karl war stets neutral. Politik hat ihn nie interessiert. Außerdem: Wird die Geschichte mit den Nazis nicht überbewertet? Der Herr Karl ist eine bissige, teilweise unglaublich bösartig-satirische Auseinandersetzung mit der Mentalität der Österreicher (und Deutschen) der Nachkriegszeit.
Helmut Qualtinger spielt den Herrn Karl, einen Opportunisten, einen gesellschaftlichen Parasiten, der seine Fahne in den politischen Wind hängt, der gerade weht. Herr Karl arbeitet in einem Warenlager. Und mehr bekommt der Zuschauer nicht zu sehen. Karl packt Pakete, er sortiert ein paar Dosen - und er erzählt. Er erzählt von damals, der Zeit, als die Deutschen Österreich überfallen haben. Man musste sich eben mit den Besatzern arrangieren, erklärt er. Widerstand? Nein, das hätte nur die Unschuldigen getroffen. Und so schlimm, wie man immer sagt, war diese Zeit auch gar nicht. Das gleiche gilt für die Judenverfolgung. Man hat davon doch gar nichts mitbekommen. Na gut, die Juden wurden schikaniert und eines Tages waren sie verschwunden, aber der Normalbürger wusste doch gar nicht, was mit ihnen passierte. Die Verbrechen haben die anderen begangen. Wer diese anderen waren? Die anderen eben.
Helmut Qualtinger hat sich mit einer Satire wie dieser im Entstehungsjahr 1961 weit aus dem Fenster gehangen. In einer Zeit, in der die Vergangenheit ein Tabu gewesen ist, hat er nicht nur die fehlende Vergangenheitsbewältigung in seinem Einpersonenstück angeklagt, er hat dies darüber hinaus in einer satirischen Form getan, die nicht zwingend zum Lachen animiert. Das Lachen bleibt einem als Zuschauer oft im Halse stecken, denn Karl ist alles andere als eine Witzfigur. Karl ist eine durch und durch reale Person, ein auf den ersten Blick netter, charmanter Durchschnittstyp, der erst auf den zweiten Blick seine opportunistisch geprägte Widerlichkeit offenbart. Was Karl als Widerling entlarvt, ist nicht die Tatsache, dass er am liebsten verdrängen möchte, was in Österreich zwischen 1938 und 1945 geschehen ist. Wäre dieser Wunsch aus der Scham geboren, wäre er zwar nicht zu rechtfertigen, aber zumindest könnte man ihn verstehen. Widerlich ist die Tatsache, dass Karl die Geschehnisse nicht nur verdrängt, sondern sie sogar zu rechtfertigen versucht.
Das Kunststück, das Qualtinger jedoch gelingt und diese One-Man-Performance so interessant macht, besteht darin, dass er nicht mit dem Zeigefinger auf seinen Herrn Karl zeigt. Dies wäre zu einfach, denn nach dem Anschauen dieses beeindruckenden Soloprogrammes fragt man sich unwillkürlich, ob ein kleines Stück dieses Widerlings Karl nicht in allen von uns existiert. -Christian Lukas
Die DVD-Veröffentlichung von Der Herr Karl weiß leider nicht zu überzeugen. Dabei stört weniger das grobkörnige Bild. Der Herr Karl wurde im Jahre 1961 auf Videomaterial gedreht und ist in den letzten Jahrzehnten einem stetigen Zersetzungsprozess ausgesetzt gewesen. Immerhin: Das Bild wurde digital bearbeitet, die schlimmsten Bildirritationen wurden beseitigt.
Was enttäuscht, das sind die fehlenden Extras. Irgendwo in den Archiven vom ORF muss noch Material liegen, mit dem eine DVD wie diese hätte aufgewertet werden können. Interviews, Filmberichte, vielleicht eine Biografie von Qualtinger, die vor allem jüngeren Zuschauern dabei helfen würde, sich mit Qualtinger und seinem Stück auseinander zu setzen. Tatsächlich ist Der Herr Karl ein Stück Zeitgeschichte, sein sarkastischer Humor funktioniert nur, wenn man die Inszenierung als Zeitdokument betrachtet. Doch selbst das Booklet bietet keine Zusatzinfos. So bleiben Qualtinger und sein Herr Karl für jüngere Zuschauer Fremde. Und jüngere Zuschauer sind all jene, die nach 1961 geboren wurden, also nicht nur Teens und Twens! Gerade ein großer, auf Seriosität bedachter TV-Sender wie der ORF, der mit seinem Logo für diese DVD wirbt, sollte sich etwas mehr Mühe bei der Gestaltung einer Disc geben! -Christian Lukas