Negatif

Benjamin Biolay

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 2. Mai 2003
Verkaufsrang: 59435 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0072435809992
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Negatif - Benjamin Biolay
Nach seinem 2001 in Frankreich erschienen Debütalbum Rose Kennedy (hier zu Lande mit einem Jahr Verspätung erst im Herbst 2002 veröffentlicht) sprachen französische Kritiker schnell vom "neuen Gainsbourg". Eine Hypothek für einen 30-Jährigen, der gerade mal ein eigenes Album draußen hat. Sicherlich, Biolay feierte bereits Riesenerfolge als Songwriter für andere, vor allem mit seiner Arbeit für Henri Salvador, einen der großen Alten des französischen Chansons, für dessen Comeback er unter anderem den Riesenhit "Jardin d'Hiver" geschrieben hatte.
Biolay, der neue Gainsbourg? "Nein, es wird niemals einen zweiten Gainsbourg geben", sagte mir Biolay im vergangenen Jahr beim Interview in Paris. "Er war wirklich einzigartig." Aber er war der erste Popmusiker, den der junge Biolay für sich entdeckte. Gainsbourg, der Songwriter, der nicht nur mit Worten wunderbar umgehen konnte, der provozierte und polarisierte, der auch für seine Experimentierfreude berühmt war. Gainsbourg, der als Erster das französische Chanson internationalisierte, der der Wortgewalt des klassischen Chansons neue, spannende Arrangements und Pop hinzufügte, der den Worten genauso viel Aufmerksamkeit schenkte wie der Musik und den Arrangements.
Biolay mag von Gainsbourg beeinflusst sein, das hört man nicht nur seinen Arrangements und seiner Stimme an, gleichwohl sind da auch die Beatles oder andere jüngere Popikonen, die ihren Einfluss hinterlassen haben. Den Glamfaktor, den Gainsbourg zu Lebzeiten innehatte, finden wir auch beim jungen Biolay, ist der hübsche Musiker mit den wuscheligen Haaren doch seit einiger Zeit mit Chiaria Mastroianni, der Tochter der Schauspielerlegenden Catherine Deneuve und Marcello Mastroianni, verheiratet.
Die Gattin darf dann auch auf einigen Songs des neuen Biolay-Albums Negatif mitmischen und zum Beispiel in "Des lendmains qui chantent" den weiblichen Part hauchen. Ansonsten bringt Biolay hier seine durchaus verschiedenen Vorlieben unter einen Hut: französisches Chanson und internationalen Pop, Streicher galore und amerikanische Dobro, Opulentes und Karges, moderne Arrangements und klassisches Songwriting. Da ist wieder diese sanfte, lockende Stimme des Beau, der sich in die Unbekannte verliebt ("Chère Inconnue"), in Trauer versinkt ("Hors la vie") oder zur Melancholie neigt, wie in "Des lendemains qui chantent".
Eine Stimme, der die Frauenwelt zu Füßen liegt. Ein richtiger kleiner Hit ist die Single "Chaise à Tokyo", bei dem wir im Chor Biolays Schwester Coralie Clement, selbst eine tolle Sängerin, hören. Neben diesem, durchaus gainsbouresken Titel, besonders auffällig: "Little Darlin'", eines der schönsten Stücke des Albums, in das Biolay einen Titel der amerikanischen Carter Family aus den 20er-Jahren eingesampelt hat. Negatif mag nicht mehr so überraschen wie das Debüt Rose Kennedy, ist jedoch keine Spur schwächer. Formidables Werk! -Thomas Bohnet