Irgendwo auf der Welt

Nina Hagen & Capital Dance Orchestra

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 24. März 2006
Verkaufsrang: 19816 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0602498775387
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Irgendwo auf der Welt - Nina Hagen & Capital Dance Orchestra
IRGENDWO AUF DER WELT

Der Ruf, der ihr vorauseilt ist gewaltiger, als ihr ohnehin beeindruckender Stimmumfang. Nina Hagen, bekennende UFO-Gläubige und Mother of Punk steht vor allem für streitbare Auftritte in der Öffentlichkeit. Dass sie jedoch in erster Linie eine hervorragende Musikerin (und Schauspielerin) ist, wird gerne vernachlässigt. Zu Unrecht, wie ihre neue CD Irgendwo auf der Welt beweist. Zusammen mit dem 13 köpfigen "The Capitol Dance Orchestra" ist ihr ein Meisterstück gelungen.
Ihre Karriere reicht vom Fräuleinwunder in der DDR ("Du hast den Farbfilm vergessen") über Vertreterin des Punk der BRD (mit der Nina Hagen Band) bis hin zur internationalen Botschafterin im musikalischen Kosmos von Funk, Rock und Jazz, wie sich auf ihrem Album Irgendwo auf der Welt zeigt. Vielleicht bringt es ein gewisses Alter mit sich, dass Menschen sich an ihre Wurzeln zurückbegeben, um an ihnen zu knabbern. Zur Erinnerung: schon als Pop infizierter Teenager war Nina Hagen jeden Montag in den Ost-Berliner Friedrichstadtpalast gepilgert und hatte schnell erkannt, dass als passionierte Sängerin kein Weg am Jazz vorbei führt. Eine Vorliebe, die sie sich bei allen Experimenten über die Jahre bewahrt und nun auf ihrem Album Irgendwo auf der Welt zum grandiosen Ausdruck gebracht hat.
"Festlich" ist ein aus der Mode gekommenes Wort. Für dieses Album trifft es zu. Es fehlt lediglich leises Klirren von Gläsern und dezentes Rascheln von Abendkleidern, ansonsten klingt das Capitol Dance Orchestra so präsent und intim zugleich, als spielte es direkt nebenan. Einzelne Stücke zu erwähnen, verbietet sich - sie sind allesamt wunderbar! Insgesamt 17 Perlen der Swing- und Big Band-Ära befinden sich auf diesem Album, von dem man sich wünschte, es enthielte noch eine zweite CD. Mit Irgendwo auf der Welt beweist Nina Hagen Format. Ohne sich in den Vordergrund zu singen, jedoch mit viel Humor und Lust huldigt sie "den Komponisten, Textern, Original-Musikern und Sängern, die in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten diese wunderbaren Musikstücke geschrieben haben", so Nina Hagen in ihrer Danksagung im Booklet. Ihre Liebe gilt jenen, die den Mund aufmachen und sich nichts gefallen lassen, darunter Zarah Leander, die nicht mit den Nazis kooperierte. Die 20er bis 40er Jahre des Swings bedeuten keineswegs nur Glamour. Es sind auch die Jahre von Großvater und Vater Nina Hagens in Berlin: ersterer von den Nazis ermordet, der andere gefoltert, im KZ- Sachsenhausen. Später schrieb ihr Vater die allererste DDR-Nachkriegskomödie "Karbid und Sauerampfer". Irgendwo auf der Welt ist also keineswegs nur eine Huldigung an die Stars sondern ein Tribut auch an jene, die aus dieser Musik Lebenslust und Mut zum Weitermachen schöpften. - Andreas Schultz