5.55

Charlotte Gainsbourg

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 8. September 2006
Verkaufsrang: 20456 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0825646365227
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5.55 - Charlotte Gainsbourg
5.55

5.55: -eigentlich eine Uhrzeit zum Davonlaufen, wäre man nicht gefangen in der Müdigkeit zwischen Nacht und Tag, zwischen dem Niemandsland des Traumes und der Unwirtlichkeit realer Gedanken. Charlotte Gainsbourg weiß ein Lied davon zu singen (und nicht nur eins), beschwört sie doch mit jedem Ton ihres Albums 5.55 das Ende der Nacht, -und zwar so gelungen, dass man es kaum erwarten möchte, bis es wieder dunkel wird, damit alles von vorne beginnen kann.
Wenn Berühmtheit eine Bürde ist, dann scheint Charlotte Gainsbourg besonders schwer an ihr zu tragen. Sie strahlt eine Zerbrechlichkeit aus, als habe sich die Extrovertiertheit der Eltern Serge Gainsbourg und Jane Birkin in ihrer Geburt vor 35 Jahren erschöpft. Doch gerade darin liegt auch die unglaubliche Stärke ihrer sensiblen Persönlichkeit: in dem Charme, der aus der Unbewusstheit ihres eigenen Könnens rührt. Wenn sich Unsicherheit mit Können paart, entsteht oft Unnachahmliches. Eine Erkenntnis bereits von Regisseur Louis Malle, der Jeanne Moreau für seinen Film "Ascenseur pour l?échafaud" favorisierte, aufgrund ihres charakteristischen Ganges; dem leichten Anflug des Einknickens ihrer Knöchel beim Treppensteigen in High Heels, als dezenter Fingerzeig auf die seelische Verwundbarkeit einer ansonsten so starken Frau. Genau wie Moreau schwächelt Charlotte Gainsbourg auf höchstem Niveau, -und steckt damit alle anderen in ihre Tasche. 5.55 ist kein depressiv-verhauchtes Album einer Zimperliese vom Dienst, sondern eine unwiderstehliche, musikalische Versuchung seit es Schlaflosigkeit gibt. Diese kommt jedoch alles andere als süß und blass-lila daher, sondern in Form von 11 ruhigen Stücken, von denen eines mehr überzeugt als das andere. Eine Leistung auch, die zweifellos auf das Konto von Produzenten Nigel Godrich (Beck, Paul McCartney, Radiohead) geht, der die Band Air, den genialen Drummer Tony Allen (Fela Kuti) und Ex-Pulp-Frontman Jarvis Cocker gewinnen konnte. 5.55, textlich aus der Feder Cockers und Gainsbourgs, ist die Beschreibung von Schrecken und Schönheit der Nacht, die in ihrer Horizontalen weniger Synonym für Sex, als vielmehr des schutzlosen Ausgeliefertseins ist, sei es in Anbetracht des Sterbens oder dem Wachliegen auf einem Nachtflug (was ja bekanntlich auch wie der Tod sein kann). Jeder Moment auf 5.55 offenbart, dass Charlotte Gainsbourg hier getan hat, was sie tun konnte und tun musste. "Natürlich ist Schauspiel mit dabei, wenn ich die Texte singe, aber die Person auf dieser Platte, das bin schon ich. Ich bin die Musik." Man glaubt es ihr auf?s Wort. Andreas Schultz