Osterholz-Scharmbeck

Kleinstadthelden

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 10. September 2010
Verkaufsrang: 7797 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 4260041960176
ASIN: B003XT7HV0 (Amazon-Bestellnummer)
Osterholz-Scharmbeck - Kleinstadthelden
Das zweite Album der kleinstadthelden heißt "Osterholz-Scharmbeck". Was es mit dem Titel auf sich hat? Ganz einfach: "Osterholz-Scharmbeck" ist eine kleine Stadt bei Bremen, die Heimatstadt der kleinstadthelden. Der Ort, an dem alles begann. Und an dem jetzt wieder alles passiert. Die Bandmitglieder wohnen inzwischen alle in Bremen, aber ihren Proberaum und ihr Studio haben sie immer noch dort draußen. Da, wo sie herkommen.
Dabei gibt die Historie der Band nicht erst seit ihrem Debütalbum "Resignation und Aufstehen" (2008) eigentlich eine ganz andere Richtung vor als die Rückbesinnung auf die Wurzeln. "Rausrausraus!" ist das Motto der ersten Jahre. Und auch jetzt noch: "Rennen" ? nicht umsonst der rockige, nach vorne preschende Opener der neuen Platte. Hier formulieren sie es selber so: "Wer vorn liegt, ist für gewöhnlich auch weiter. Deswegen rennen, rennen, rennen wir."
Genau das zeichnet die Band schon immer aus: Nicht auf der Stelle treten wollen, sondern vorwärtskommen. Dem ewigen Diktat des "Tick Tack" entfliehen, mit dem der Wecker immer gleiche Tage einläutet. Sich nicht zufriedengeben damit, dass der Zeiger der Uhr das Einzige ist, was im eigenen Leben rund läuft. Dieser zweite Song der Platte zeigt die neuen Stärken der kleinstadthelden: Eine Reduktion auf das Wesentliche, eine neue Transparenz, die dem Song und der Geschichte Platz lässt, damit sie ihre volle Wirkung entfalten. Luftige Akustikgitarren, ein straighter Beat, ein treibender Bass, eine wunderschön zurückhaltend vorgetragene Gesangslinie. Mehr braucht es nicht.
Dass sie bei aller Reduktion aber auch immer noch wissen, was Vollgas bedeutet, zeigt "Indie Boys", mit dem sie ihr Bundesland Bremen beim Bundesvision Song Contest 2010 vertreten werden. Für die Produktion holten sie sich mit Oliver Pinelli (In Extremo, Der Graf/Unheilig, Cassandra Steen, ?) erstmals einen Außenstehenden in ihr kleines Studio, der dem Song den letzten Schliff gab. Herausgekommen ist ein Indie-Club-Tanzflächen-Smasher, der zum Feiern geradezu herausfordert. Doch wer genau hinhört, merkt: Auch dieser Song hat ein Anliegen abseits von guter Laune und Feierei. Er ist ein Plädoyer für ein Miteinander der Jugendkulturen. Denn muss es eigentlich sein, dass mir jemand sagt, welche Platten ich zu hören und was ich abzufeiern habe? Müssen die Kreise so eng sein?
Vielleicht ist das sogar der rote Faden des neuen Albums: Jugendlicher Sturm und Drang mit hanseatischer Nachdenklichkeit. Die kurze Romantik des Innehaltens, nachdem man über die ersten Steine des Lebens gestolpert ist. Immer noch mit Macht hinaus, aber gleichzeitig ein Überdenken des Status quo. Es gibt immer die zwei sprichwörtlichen Seiten der Medaille.
Exemplarisch greift das "Nicht nur" auf, einer der starken ruhigen Songs des neuen Silberlings: "Nicht nur Gutes, auch die Wahrheit gefunden. Nicht nur Worte, auch Nerven verloren. Nicht nur Wunden, auch Herzen verbunden. Nicht nur gestorben, auch neu geboren." Eine traurige Geschichte von einer verlorenen Liebe, aber der Kopf bleibt immer über Wasser. Wenn man ein zweites Mal genau hinhört, steckt die Nachdenklichkeit sogar auch schon im Opener "Rennen": "Doch wer misst Gefühle aus? Und wer fährt uns nach Haus?"
Vier Freunde erzählen hier von Dingen, die sie bewegen. Dabei geht es auch um die Freundschaft selber. Um das, was sie einem geben kann. Und vielleicht auch um das, was sie einem nehmen kann. "Blutsbrüder" ist so eine Erzählung: "Wir wollten Blutsbrüder sein. Und waren dann doch zu feige. Haben wir damals schon geahnt, dass man immer was vermisst? Und nicht versiegelt, was noch ist." Die vier Jungs sind mit ihrer Band aus der kleinen Stadt schon weite Wege gegangen, alleine für ihre über 150 Konzerte haben sie Kilometer um Kilometer gefressen, jeder neue Tag ein neuer Eindruck. Und dann sind sie sich doch wieder zurückgekommen und haben sich wochenlang in ihrem kleinen Studio in Osterholz-Scharmbeck eingeschlossen, um diese, ihre zweite Platte aufzunehmen.
Manchmal muss man wohl im Kreis gehen, um weiterzukommen. Man wird nämlich erstaunt feststellen, dass dieser neue Kreis viel weiter geworden ist als die früheren Kreise, in denen man sich bewegt hat. Und man versteht, dass auch jeder weitere Ring noch weiter draußen liegen wird als der vorherige. Der Mittelpunkt bleibt jedoch immer der gleiche. Denn wohin die Wege auch führen: Das Herz weiß immer, wo man herkommt.