Pandora im Kongo

Albert Sánchez Pinol

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 19. Juli 2007
Verkaufsrang: 6572 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783100616036
ASIN: 3100616030 (Amazon-Bestellnummer)
Pandora im Kongo - Albert Sánchez Pinol
Albert Sánchez Piñol ist ein merkwürdiger Autor. Wie sehr sich der hochgelobte Katalane als existenzieller Grenzgänger im Stile des großen Joseph Conrad begreift, war schon in seinem Erstling, Im Rausch der Stille, mit Händen zu greifen. Dass Piñol der stillen Spracherhabenheit seines Vorbilds jedoch nicht zu trauen scheint und statt tiefem Seelendschungel lieber auf den Auftritt von Monstrositäten à la Stephen King setzt, verstörte nicht wenige Leser. "Pandora", das sich wie eine Doublette des "Rausches" ausnimmt, macht da keine Ausnahme. Verschlug es damals zwei Männer auf eine abgelegene Insel, wo sich Mensch und glibbrige Amphibienwesen irritierend nahe kamen, so siedelt Piñol sein neuestes Werk gleich in jenem literarischen Quellgebiet an, das Conrad als "Herz der Finsternis" unsterblich gemacht hat: dem Kongo. Doch gehts auch hier sehr bald wieder unterirdisch zu!
Zu Anfang versucht der Autor noch, den Leser durchaus stimmungsvoll mit einer Buch-im-Buch-im-Buch-Verwirrstrategie aufs Glatteis zu führen. Tommy Thomson, ehemaliger Ghostwriter des erfolgreichen Groschenroman-Autors Dr. Luther Flag, erinnert sich am Ende seines Lebens an jene Geschichte, die sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs zugetragen hatte. Ein windiger Anwalt hatte ihm damals den Auftrag erteilt, die Lebensgeschichte eines gewissen Marcus Garvey niederzuschreiben. Garvey stand im Verdacht, seine Arbeitgeber, die beiden aristokratischen Kongoeroberer Richard und William Cravers im Dschungel getötet zu haben. Der lange Treck, die bis aufs Blut gequälten Träger, die Lichtung mit ihrem verheißungsvollen Goldschatz, die sadistischen Brüder als düstere Symbole einer menschenverachtenden Kolonialzeit. Sehr stimmungsvoll, das Ganze. Dann aber!
Die fast schon gewohnte Piñol-Volte: Aus einem Erdloch in der frisch ausgehobenen Goldgrube hüpft ein engerlinghaft schneeweißes Wesen. Gestatten, Herr Tekton. Bewohner des Tiefgeschoßes! Extrem unfreundlich! Wenig später gesellt sich Amgam, ein weibliches telleräugiges Zwei-Meter-Gegenstück hinzu, um die (weißen!) Expeditionsteilnehmer erotisch zu unterweisen. Dem Leser schwant ? wo zwei sind, müssen noch mehr sein! Schon im "Rausch" ließen solche Momente literarisch anspruchsvollere Gemüter eher zusammenzucken, sich gar im falschen Film wähnen. Ade, oh Land des großen Joseph C.. Herbei, ihr Herren Spielberg, Wells, Verne & Co. Herbei, ihr filmischen Versatzstücke von unterirdischen Großreichen und kosmisch kruden Kriegs-, Lebens- und Liebesweisheiten. So sehen wir betroffen, dass wir erneut feststellen dürfen: Albert Sánchez Piñol ist ein merkwürdiger Autor. - Ravi Unger