EGO: Roman

John von Düffel

Taschenbuch
Ausgabe vom 1. August 2003
Verkaufsrang: 93566 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783423131117
ASIN: 342313111X (Amazon-Bestellnummer)
EGO: Roman - John von Düffel
"Mens sana in corpore sano?" Nicht so im Falle des Consulting-Fachmanns Philipp, dessen Geist zu Gunsten eines zeitgeistig gestählten Bodys den Betrieb komplett eingestellt zu haben scheint. Wie ein wahnsinnig gewordener Bildhauer modelliert der gockelhafte Ego-Tripper jeden Muskel seines Körpers zum perfekten Gesamtkunstwerk. Nicht Isabell, seine Dauerverlobte, stellt für den eitlen Laufbandwurm das höchste Glück dar, sondern die Vorstellung der gerade verspeisten Banane, die in seinem Magen ein Feuerwerk wertvollster Fruktose-Moleküle abbrennt.
In John von Düffels Anatomie-Atlas menschlichen Grauens erfahren wir alles über Omega-3-Fettsäuren, den Bizeps, den man zu Gunsten eines gut definierten Trizeps getrost vernachlässigen kann, sowie richtig ausgeführte Crunches, die zum abdominalen Wunschwaschbrett führen. Drängende Fragen nach modisch korrekter Brusthaarentfernung geraten bei diesem Sich-selbst-Anbeter zum echten inneren Kampf. Hauptproblemzone aber ist Philipps Nabel, dieser "formlose Krater im Fleisch", den unser Held millimeterweise unter Hinzuziehung ungeahnter Hautpartien liebevoll heranzüchtet.
Dem Reiz des etwas abgegriffenen Bildes von der Nabelschau konnte von Düffel wohl nicht widerstehen. Dass neben allen Selbstbespiegelungsorgien auch noch der Anflug einer Handlung hervorlugt, hätte man beinahe übersehen. Während eines Karibikurlaubs rettete Philipp einem gewissen Herrn Weinheimer in Seenot das Leben und wird seitdem von dessen pentranter Dankbarkeit verfolgt. Pikantes Detail: Kurz vor der Rettung beglückte der Muskelbewehrte dessen Gattin in den Dünen (wenig glaubwürdig, da man an dieser Stelle längst zur traurigen Erkenntnis gelangt ist, dass unser Held völlig impotent ist).
Ähnlich Philipp hat auch das Buch seine Problemzonen. Im Erzählstil, einer unironisch, sachlichen Sportberichterstattung über einen mental verkrüppelten Körperfetischisten, liegt auch die Krux. Innenwelten finden nicht statt. Philipp ist geschichtslos, gibt nichts her, bleibt still wie das Wasser, das er in seiner hysterischen Dehydratationsangst literweise in sich hineinschüttet. Noch steht und fällt aber ein Roman mit seinem Helden. Bei Philipp steht, trotz stets präsenter rettender Banane, leider gar nichts. -Ravi Unger