Deutschboden: Eine teilnehmende Beobachtung

Moritz von Uslar

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 23. September 2010
Verkaufsrang: 490 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783462042566
ASIN: 3462042564 (Amazon-Bestellnummer)
Deutschboden: Eine teilnehmende Beobachtung - Moritz von Uslar
Alles erfahren über "des Prols reine Seele" will Moritz von Uslar. Zu diesem Zweck sucht der Reporter von der Spree eine "möglichst beschissene Kleinstadt" im Wilden Osten der Republik. Jenseits des Berliner Speckgürtels, in Zehdenick ? im Buch Oberhavel genannt ?, wird der Autor fündig. Von Uslar lässt seinen Drachen steigen und nähert sich gefühlter Arbeitslosigkeit, getunten Autos, rasierten Glatzen und einem Friseursalon, der "Kamm Inn" heißt. Leser erfahren, wo beim Kratzputz der Lack ab ist, dass in der DDR Bier in Raumtemperatur getrunken wurde ? und was es mit Deutschboden auf sich hat.
Als "teilnehmende Beobachtung" betituliert der Autor seine Notizen aus der ostdeutschen Provinz. Diese ursprünglich sozialwissenschaftliche Methode begründete Bronislaw Malinowski vor rund 100 Jahren mit seinen Forschungen in Melanesien. Angesichts der vom Völkerkundler geforderten Dauer von mindestens einem Jahr, relativiert sich von Uslars dreimonatiger Aufenthalt in Brandenburgs Hinterland. Andererseits ist ein Vierteljahr als Zeitraum für eine Reportage üppig, da beackern andere Schreiberlinge währenddessen die ganze Republik.
Im Labyrinth der Kleinstadt leuchtet der Autor Alltag und Ansichten einiger Kameraden genauer aus, andere erscheinen nur im Schlaglicht. Seine Sicht spiegelt die Männerwelt wider, eine Reporterin würde in Zehdenick andere Lebenswelten aufspüren. Nicht nur wenn von Uslar den Frieden des Bieres genießt oder beim Boxtraining die Leere im Kopf verspürt, zeigt sich, dass er auf seinem Trip mindestens so viel über sich selbst erfährt wie der Leser über das ostdeutsche Outback.
Im Unterschied zu Wissenschaftlern filtert von Uslar seine Eindrücke bewusst subjektiv und literarisch. Das ermöglicht es dem Leser, in die Rolle eines Ringrichters zu schlüpfen, der Treffer des Berliner Stadtmenschen sowie der Zehdenicker Urgesteine bepunktet ? und liefert einen Grund mehr, warum das Buchkonzept weit genug trägt. Ganz wie im richtigen Leben fangen die besten Geschichten in der Gaststätte Schröder an. Und der Leser lehnt mit am Tresen und verputzt ordentlich "Molle".
? Herwig Slezak