Die scheußlichsten Länder der Welt: Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer

Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan

Buch, Broschiert
Ausgabe vom 1. November 2010
Verkaufsrang: 17708 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783492253741
ASIN: 3492253741 (Amazon-Bestellnummer)
Die scheußlichsten Länder der Welt: Mrs. Mortimers übellauniger Reiseführer - Favell Lee Mortimer, Todd Pruzan
Die Idee ist erfrischend: ein Buch über die Länder der Welt, in dem garantiert nicht die durch Werbung und Reisebüros überstrapazierten Begriffe "Traumstrand", "pittoreske Fischerdörfer" und "perfekte Orte zum Seele baumeln lassen" vorkommen. Nein, es soll um eine ganz und gar schonungslose Betrachtung der Länder gehen, die in politisch inkorrekter Weise den Finger auf Wunden legt, Tacheles redet, schonungslos unbequeme Wahrheiten nennt. Doch wer jetzt eine aktuelle Abrechnung erwartet, wird enttäuscht sein, denn das Buch Die scheußlichsten Länder der Welt macht einen Riesensprung in die Vergangenheit. Es lässt Favell Lee Mortimer literarisch wieder auferstehen. Die Star-Autorin im viktorianischen England teilte ums Jahr 1850 ihren staunenden Mitmenschen in drei Bestsellern mit, wie schrecklich es draußen in der Welt zugeht. Das Kuriose: Sie war analog zu Karl May nie in den Regionen, über die sie schreibt.
Alles hat sie aus anderen, vielen anderen Büchern zusammengetragen - vor allem das Kritische, das Böse, das Negative. "Die Franzosen machen dauernd Komplimente, und diese Komplimente stimmen oft nicht", warnt Mrs. Mortimer. Schlimmer sei es jedoch in Spanien, "dort gibt es Räuber und Mörder" und manche Männer "benehmen sich wie Wölfe". Klar finden sich auch Beschreibungen, die in der heutigen Zeit noch einigermaßen durchgingen. Und dass New Orleans ein gefährlicher Ort für Leib und Seele ist, bewies nicht zuletzt die grausame jüngste Hurrikan-Vergangenheit.
Nichtsdestotrotz: Es finden sich einige unterhaltsame Passagen und für Reisemuffel sind die reaktivierten Geschichten ohnehin eine willkommene Rückenstärkung. Lautet doch das Credo: Am schönsten ist es einfach zu Hause. Apropos zu Hause. Die Deutschen kommen bei Favell Lee Mortimer ohnehin erstaunlich gut weg. Sie schreibt von "kräftigen, großen, gut aussehenden Männern. Die Frauen sind frisch und hübsch." Andererseits bemängelt Mortimer aber, dass sie ihre Häuser nicht sauber halten, weil sie zu viel draußen sind. Dafür lieben sie das Stricken. "Sie sind so in ihre Stricknadeln vernarrt wie die Männer in ihre Pfeifen." Spätestens jetzt wünscht man sich ein aktuelles Update à la Mortimer, an das sich aber keiner trauen wird, aus Angst vor Klagen, wüsten Anrufen, Morddrohungen. - Christian Haas