Moscoviada

Juri Andruchowytsch

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 27. Sept. 2006
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Moscoviada - Juri Andruchowytsch
Dantes Inferno lässt grüßen! Was der 46-jährige ukrainische Lyrikdebütant Juri Andruchowytsch hier veranstaltet, ist nichts weniger als der ungeheuer poesievolle und delirierend LSD-mäßige Versuch eines Schwanengesangs auf das dahinsiechende Sowjetreich. Inmitten von Moskau, diesem ?fauligen Herzen des halbtoten Imperiums?, liegt das Studentenwohnheim des renommierten Gorki-Literaturinstituts, eisgraues Herzstück und trübe Heimstatt in Andruchowytschs furioser Groteske der toten Seelen.
Im Jahre des Herrn 1991 beherbergt diese sperma-, blut- und wodkatriefende Plattenbauwohnhölle eine regelrechte Armada an aufstrebenden jungen Dichtern aus sämtlichen russischen Provinzen. Dichterwracks wäre der angemessenere Ausdruck, werden die meisten doch lediglich von Suff und Sex mit Kommilitoninnen in den Duschräumen halbwegs am Leben gehalten, wie der Vorortbericht des ukrainischen Literaturstipendiaten Otto von F. drastisch bezeugt! WARNUNG: Wer nach dieser Einleitung lediglich eine traurig triefende Sowjet-Untergangselegie erwartet, verpasst ein kleines Meisterwerk, wie Stanislaw Lem schon anmerkte. Otto von F?s nächtlicher Abstieg ins stinkende Gedärm der Stadt kommt als orgiastisch grelle Burleske daher. Poe, Gogol & Co., Russenpop und Fantasy sind in Andruchowytschs literarischem Reisegepäck stets präsent.
Das Otto?sche Schleudertrauma in die Katakomben des ehemaligen kommunistischen Gespensterreichs aus Geheimdiensten, Verschwörung und Konspiration, erschien erstmalig im Jahr 1993 und ist von beinahe erschreckender Aktualität. Auf seiner schlingernden Identitätssuche im bröckelnden Sowjetreich durchwatet der Literaturstudent eine desillusionierte Moskauer Unterwelt im Dauerdelirium, gesäumt von Dichterbirnen, deren von gepanschtem Wodka oder Arzneispiritus vernebelte Hirnwindungen nur noch Gaga-Lyrik produzieren.
Ein postkommunistisches Absurdistan als Hort der Selbstverlorenheit, in dem sich auch die Sorge des Autors herauslesen lässt, in Zeiten moralischer Verwilderung und Desorientierung könne der Ruf nach dem einst so starken, alles einenden Moskau wieder übermächtig werden. Ein wilder und wortmächtiger Nach- und Weckruf! - und ein dickes Extralob der kongenialen Übersetzung aus dem Ukrainischen von Sabine Stöhr. -Ravi Unger