Idee und Leidenschaft - Die Wege des westlichen Denkens

Richard Tarnas

Buch, Gebunden
Ausgabe vom 1997
Verkaufsrang: 372744 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 9783807703589
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Idee und Leidenschaft - Die Wege des westlichen Denkens - Richard Tarnas
Aus der Amazon.de-Redaktion
Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was leitet uns? Leitet uns überhaupt irgendetwas? Lebt Gott oder ist er tot? Hat es ihn überhaupt jemals gegeben? Sind wir eingebunden in eine große spirituelle Ordnung? Folgen wir einer höheren Bestimmung? Oder hat uns die Evolution zufällig mit Bewußtsein gestraft, so daß wir an der Nichtigkeit einer sinnlosen Existenz unter allen Kreaturen am meisten leiden müssen? Wie konnten wir zu dem werden, was wir sind? Wo stehen wir jetzt und was steht uns bevor?
Die Urwerkstatt des westlichen Denkens finden wir im antiken Griechenland. Platon heißt die große Schlüsselfigur, die all seine grandiosen Ideen und die von Sokrates über unseren Teil der Welt ausschüttete. Damit brachte er eine Saat auf die Erde, die in folgenden Jahrtausenden unzählige grundverschiedene Denklandschaften und Weltbilder hervorbringen sollte.
Eine schwierige Wanderung stand der Menschheit bevor, ein Weg voller Rätselaufgaben, Abgründe, Erleuchtungen, Katastrophen, Erkenntnisse, Lösungen, Verwandlungen, fundamentaler Irrtümer und neuer Herausforderungen. Jede Zeit spiegelte einen bestimmten Entwicklungsprozeß wieder. Jede Generation hatte ihre Mission. Jeder Mensch leistete mit seiner Geschichte einen wichtigen Beitrag für die Beschaffeneit unseres Geistes und unserer Gene, wie wir sie heute haben.
Nach den griechischen Philosophen kam Jesus, der sich wahrscheinlich selbst gar nicht für den Messias hielt mit seiner bahnbrechenden Botschaft, und seine Missionare Paulus, König Konstantin und Augustinus, die uns das Christentum einbrachten. Nun brauchten die Menschen, wie nach der platonschen Philosophie, nicht mehr viel zu wissen, um sich über das irdische Reich erheben zu können, sondern nur noch zu glauben, daß Gott sie erlösen würde. Die Kirche wurde geboren, um ihre lange und unumschränkte Herrschaft anzutreten, bis die Entdecker aus ihren Reihen hervorgingen und ihre Macht beträchtlich ins Wanken brachten.
Kopernikus stürzte mit seinem heliozentrischen Weltbild die Welt aus ihrem Mittelpunkt. Darwin stieß den Menschen aus seinem privilegierten Brennpunkt der Schöpfung. Und Freud setzte dem erdbebengleichen Umsturz die Krone auf: Unser ICH war noch nie eigener Herr im Hause gewesen. Es war die Marionette eines ungleich stärkeren Unbewußten und dessen jüngste und äußerst empfindliche Ausformung. Damit die Kirche noch glaubwürdig blieb, hätte sie ihre ganze Bibel umschreiben müssen. Aber Newton, Darwin und Karl Marx waren mit ihren Erkenntnissen schneller und begründeten den neuen Glauben an den Materialismus und die Wissenschaft. Doch auch dieses Weltbild sollte sich nicht lange halten.
Die Erosion der Bibel, die spirituelle Öde der Welt und die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz angesichts der unermeßlichen Größe des Kosmos machte sich durch Nietzsche bemerkbar und beseelte sich erneut in den atemberaubenden Entdeckungen Einsteins. Da waren sie plötzlich wieder, die verbannten göttlichen Ideen und die totgeglaubten Mysterien. Zeit und Raum stellten sich als relativ heraus. Die Materie war nicht fest, sondern transzendent. Teilchen beeinflußten sich ohne kausalen Zusammenhang. Laut läuteten die Glocken für C.G. Jung. Das kollektive Unbewußte lechzte nach Entdeckung. Platons verbannte Archetypen mußten wieder her. Der Kreis schloß sich. Alles Wissen war schon einmal dagewesen, doch trat jetzt mit aller Macht das tiefe Bewußtheit wieder hervor, erarbeitet durch die christliche Gewißheit, daß nichts ohne Liebe und Glauben fruchtet, mit Hegels Erfahrung, daß jede wahre Erkenntnis durchlebt werden muß und mit dem erworbenen Wissen aus der beachtlichen Verdrängungsleistung das Selbst im goldenen Zeitalter der Wissenschaft und der rettenden Freudschen Tiefenpsychologie, daß das Selbst nur durch seine absolute Verdrängung erkannt werden konnte.
Heute bildet die Theorie Stanislav Grofs eine gelungene Synthese von Freud und Jung und symbolisiert die notwendige Vereinigung von wissenschaftlichem und religiösem Weltbild. Der Aufbruch des Feminismus zeigt an, vor welcher wichtigen Aufgabe das bislang ausschließlich männliche Denken steht. Am Schluß erklärt Tarnas die ganze Entwicklung unseres westlichen Daseins noch einmal mit der Analogie der natürlichen Geburt eines Menschen und weist den neuen Weg in unsere Zukunft indem er ein Denken an den Tag legt, das nicht mehr nur chronologisch funktioniert.
Richard Tarnas Werk ist vom Sturmdrang, die Welt zu verstehen und zu verbessern, beseelt. Es ist ein Buch, das man haben muß, eine Geschichte, die man als westlicher Mensch kennen muß, ein Verständnis von der Welt, das für die progressive Gestaltung unserer Zukunft nötig ist. -Daphne Unruh