Musica Sacra - Heinavanker - Loomiselaul (Die Schöpfung) - Vokalmusik aus Estland: Vokalmusik der Renaissance mit Werken von Johannes Ockeghem und .. - im Weltkulturerbe Kloster Maulbronn 2005

Heinavanker

Hörbuch, Audio CD
Ausgabe vom 15. Mai 2006
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Musica Sacra - Heinavanker - Loomiselaul (Die Schöpfung) - Vokalmusik aus Estland: Vokalmusik der Renaissance mit Werken von Johannes Ockeghem und .. - im Weltkulturerbe Kloster Maulbronn 2005 - Heinavanker
Zu allen Zeiten sind sich in der Kulturgeschichte zwei Denkweisen begegnet - die eine verteidigt felsenfest die Tradition, die andere strebt nach Neuerung. Ähnlich ist es in der Kirchenmusik. Stets wird überlegt, wie sie sein darf und wie sie sein kann. Der große Mann der estnischen Musikklassik, Rudolf Tobias schlägt in seinen Schriften folgende Synthese vor: "die innere Motivation der alten Musik zu erforschen" und weiter "unsere Aufmerksamkeit auf das innere Wesen unseres Zeitalters zu wenden", um "zum Endziel der zeitgenössischen Kirchenmusik zu gelangen - die tatsächlichen Bedürfnisse zu befriedigen". Wie groß aber kann die Gemeinsamkeit der tatsächlichen Bedürfnisse im Kontext verschiedener Zeitalter, verschiedener geographischer und sozialer Situationen sein? In welcher Beziehung stehen die vom höfischen, kirchlichen und wissenschaftlichen Geist der Renaissance getragenen kontrapunktischen Meisterwerke, die meditative einstimmige klösterliche Musik des Mittelalters und die einzigartigen für das kleine Estenvolk typischen, an die Kraft der vormaligen religiösen Erwachenszeit erinnernden volkstümlichen Choral-Weisen? Und darüber hinaus- findet sich in der sich ständig ändernden und vielen Einflüssen unterworfenen Landschaft der zeitgenössischen Kirchenmusik jemand, dessen "tatsächliche Bedürfnisse" eine derartige Musik befriedigt? Die estnischen geistlichen Volkslieder oder volkstümlichen Choräle sind im Schoss des religiösen Erwachens der Landbevölkerung entstanden. Die Texte stammen zumeist aus dem Lutherischen Gesangbuch, die Melodien jedoch sind bis zur Unkenntlichkeit verändert und gelegentlich virtuos verziert. Die halbimprovisierten Arrangements dieser Lieder erklingen als Leistung des Gesamtensembles. Der Eckstein des begeisternden und nahezu nicht definierbaren Stiles des Johannes Ockeghem (um 1417- 1497) ist ein außerordentliches Gleichgewicht zwischen versteckten mathematischen Konstruktionen und mit ihrer Hilfe geschaffenen natürlichen, scheinbar spontanen, jedoch stets unvorhersehbaren Melodielinien.Ockeghem ist ein Komponist, der das musikalische Denken einer Epoche zur Vollendung bringt, als Gegengewicht werden von den nachfolgenden Generationen leichter durchschaubare Pfade bevorzugt. Die Werke Ockeghems stellen an Sänger nach dem heutigen Verständnis so unübliche Ansprüche, dass ihr Vortrag als eine echte Mutprobe zu gelten hat. "Der Altmeister selbst hat schließlich 40 Jahre mit den gleichen Sängern gearbeitet" seufzen die Sachkenner und legen die Partitur zurück in die Schublade. Zum Schluss des Konzertes erklingt eines der ältesten und eigenständigen Beispiele unserer Kultur, ein vorchristliches "Regi"lied, die Schöpfung. Es handelt von einem Vogel, der in "unserer Koppel" einen Nistplatz findet, Eier legt, und Junge ausbrütet, eines der Jungen wird die Sonne, das zweite der Mond, das dritte zum Himmelsstern, das vierte zum Regenbogen. Das Alter der "Regi"lied - Tradition dürfte mehrere tausend Jahre betragen. In der Schaukelweise aus Kadrina erkennt man klar die Hauptkennzeichen eines Regiliedes, der Anfangsreim, als Versmaß der achtfüßige Trochäus, der Wechsel zwischen Vorsänger und Chor, und beider Zusammenklang durch den eigentümlichen "leegajus": vor dem Beginn des nächsten Verses singen Vorsänger und Chor die letzten Silben des vorigen Verses gemeinsam. Margo Kõlar (Künstlerischer Leiter)