Die Schöne Müllerin/3 Lieder

Fritz Wunderlich, Franz Schubert, Hubert Giesen

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 3. Januar 1996
Verkaufsrang: 2913 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0028944745221
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Die Schöne Müllerin/3 Lieder - Fritz Wunderlich, Franz Schubert, Hubert Giesen
Die schöne Müllerin. 3 Lieder. Klassik-CD. AV

Oft haben Schallplatten, die zur Legende geworden sind, eine außergewöhnliche Entstehungsgeschichte oder einen besonderen biographischen Hintergrund. Beides trifft für Fritz Wunderlichs späte Aufnahme von Franz Schuberts Schöner Müllerin zu: Als letzte Liedplatte, die der früh verstorbene Tenor im Studio aufnahm, hat sie Vermächtnis-Charakter. Darüber hinaus ist ihre Existenz möglicherweise dem Umstand zu verdanken, dass Wunderlich seinen tragischen Unfalltod vorausgeahnt hat: Ursprünglich waren Studio und Pianist für Februar 1967 gebucht, aber Sommer 1966 bemühte sich Wunderlich - zur Verwunderung aller Beteiligten - plötzlich mit aller Macht um einen sofortigen Aufnahmetermin. Anfang Juli konnte die Einspielung stattfinden, kaum mehr als zwei Monate später war der noch nicht 36-jährige Sänger tot.
Entwaffnende Natürlichkeit prägt Fritz Wunderlichs Darbietung der berühmten Liederfolge, scheinbar mühelos trifft er den richtigen Ton für die traurige Geschichte eines jungen Müllers, dessen Gemütszustand sich durch Liebeskummer von naturburschenhafter Fröhlichkeit zu abgrundtiefer, in den Selbstmord führender Verzweiflung entwickelt. Man lasse sich jedoch nicht täuschen: Harte Arbeit war notwendig, um diese Meisterschaft im Liedgesang zu erreichen - ein Vergleich mit der 1957 entstandenen Aufnahme der selben Lieder beweist es. Maßgeblichen Anteil am interpretatorischen Fortschritt Wunderlichs hatte Hubert Giesen, der Pianist der vorliegenden Aufnahme. Mit ihm zog sich der Sänger zu intensiven Arbeitsphasen zurück, als er 1963, alarmiert durch einige durchwachsene Zeitungskritiken, die Notwendigkeit sah, seinen Liedgesang grundlegend zu verbessern.
Das Ergebnis präsentiert u.a. diese CD: Hört man analytisch, so bemerkt man sehr wohl die unzähligen Nuancen der dynamischen und agogischen Gestaltung, und die stupende Anpassungsfähigkeit Giesens verrät, wie sehr die beiden Künstler durch umfassende Vorbereitung aufeinander abgestimmt sind. Aber diese Ebene der Aufnahme bleibt völlig im Hintergrund: Vielmehr überwältigen den Hörer vom ersten Lied an größte Selbstverständlichkeit des Ausdrucks und reinster stimmlicher Wohlklang. Unnachahmlich gelingt Wunderlich die große Steigerung im ersten Drittel des Zyklus, die in den hinreißenden Spitzentönen der "Ungeduld" gipfelt, und ebenso überzeugend erlebt der Hörer den langen Abstieg von den ersten leisen Zweifeln bis hin zu haltloser Wut in "Der Jäger" und lähmender Agonie in "Die liebe Farbe". Mit den letzten Tönen von "Des Baches Wiegenlied" schließlich verstummt der große Liedsänger, von einigen später entstandenen Livemitschnitten abgesehen, für alle Zeiten. -Michael Wersin