Gloria

John Eliot Gardiner, Ebs, Monteverdi Choir

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 5. November 2001
Verkaufsrang: 1139 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0028946259726
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Gloria - John Eliot Gardiner, Ebs, Monteverdi Choir
GLORIA

Zwei bekannte Meisterwerke der barocken Kirchenmusik, Georg Friedrich Händels Psalmvertonung Dixit Dominus und Antonio Vivaldis Gloria RV 589, umrahmen auf dieser CD ein neu entdecktes, jüngst Georg Friedrich Händel zugeschriebenes Werk, eine Gloria-Vertonung für Solosopran und Streicher. John Eliot Gardiners Sänger und Instrumentalisten musizieren souverän auf der mittlerweile selbstverständlich abrufbaren Basis dessen, was sich in den letzten drei Jahrzehnten als "Historische Aufführungspraxis" etabliert hat. Dennoch beschleicht einen beim Hören der Gedanke, dass man inzwischen wohl nicht mehr nur auf sportliche Tempi, brillant beherrschte Naturtrompeten und ausgefeilte Artikulation bauen kann, wenn man dem auch in der "Original-Barock"-Sparte schon überquellendem Aufnahmenkatalog etwas wirklich Neues, Spektakuläres hinzufügen will.
Beispielsweise klingen alle Gesangssolisten, die Gardiner hier zu Wort kommen lässt, wunderbar glatt und instrumental, fügen sich also geschmeidig ins orchestrale Bett ein. Allerdings erreicht keiner dieser Sänger das stets im Hintergrund erkennbare Vorbild Emma Kirkby; diese vermochte und vermag ihren Gesang trotz aller Schlichtheit jederzeit mit Glanz und Lebendigkeit zu erfüllen, während ihre Nachfolger, wie auch auf der vorliegenden CD zu hören, nicht selten an einer schalen Blässe leiden. Viel versprechender scheint da der Weg von Dirigenten wie Marc Minkowski, die sich auch in der Barockmusik wieder an Sänger mit größerer Farben- und Ausdruckspalette halten.
Eine anderer Punkt ist die Verbindung von Text und Musik: Die häufig wiederkehrenden Worte des Messordinariums und der Psalmen gehen den routinierten Choristen der heutigen Alte-Musik-Szene wieder locker von den Lippen, obwohl sie, im Gegensatz zur Situation in der Barockzeit, mit unserem Alltag nicht mehr viel zu tun haben. Allerdings ist die barocke Kirchenmusik über weite Strecken vom Text her entstanden und in ihren musikalischen Ausprägungen auch nur vom Wort aus wirklich zu verstehen. Inwieweit dies dem Ensemble dieser CD wirklich bewusst ist, scheint zumindest fraglich: An vielen Stellen vermisst man eine erneute intensive Beschäftigung mit dem Phänomen, für das Harnoncourt vor Jahrzehnten den Begriff der "Klangrede" geprägt hat.
Die zwei genannten Aspekte stehen für eine Reihe von Eindrücken, die dazu beitragen, dass diese an sich gekonnt produzierten Einspielungen einen nicht wirklich vom Hocker reißen, was sie vor 15 Jahren sicher getan hätten. Aber auch die Aufführungspraxis verlangt nach Weiterentwicklung, und zwar keinesfalls im Sinn von "höher, schneller, weiter", sondern vor allem durch Vertiefung und Differenzierung. -Michael Wersin