Verdi: Requiem/4 Pezzi Sacri

Schwarzkopf, Gedda, Pol

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 8. Februar 2001
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EAN/ISBN: 0724356756021
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Verdi: Requiem/4 Pezzi Sacri - Schwarzkopf, Gedda, Pol
REQUIEM/4 PEZZI SACRI

Wie opernhaft darf Kirchenmusik sein? Für viele eingefleischte Verehrer der Musik Johann Sebastian Bachs oder Heinrich Schütz' hört das italienische geistliche Repertoire sicherlich schon eine Weile vor dem Jahr 1800 auf, jedenfalls bevor sich Elemente des Operngesangs deutlich in den Partituren bemerkbar machen. Man kann zu Rossinis Messen stehen wie man will, aber im Fall von Giuseppe Verdi und vor allem seines Requiems muss ein differenziertes Urteil gefällt werden: Ebenso wenig wie er die schmachtende Melodienseligkeit seiner italienischen Vorgänger unreflektiert in seine Opern übernahm, ließ er es in seinem Requiem an Tiefgang und überaus wahrhaftiger Emotionalität fehlen. Selbstverständlich blieb er dabei seinem musikalischen Idiom grundsätzlich treu, und er legte einen breiten Spielraum von strenger Partiturtreue und Ernsthaftigkeit bis hin zu äußerlicher Effekthascherei in die Hand der Interpreten. So müsste die Eingangsfrage, eingeengt auf das vorliegende Werk, lauten: Wie opernhaft sollte Verdis Requiem gesungen werden?
Im Jahre 1963, im Zusammenhang mit Verdis 150. Geburtstag, produzierte ein italienischer Dirigent mit einem durchweg nicht-italienischen Ensemble das Requiem für die Schallplatte. Allerdings war Carlo Maria Giulini bei allem südländischem Feuer, das ihm in jüngeren Jahren zu Gebote stand, auch immer schon für leisere Töne und kammermusikalischen Duktus bekannt. So entstand unter dem kritischen Auge des EMI-Chefproduzenten Walter Legge eine Version der Totenmesse, die an vielen Stellen auch heute noch geradezu unerhört intim anmutet und den Hörer mehr als einmal in atemlose Spannung versetzt. Elisabeth Schwarzkopf liefert immer wieder elektrisierende Pianissimi, streng nach den Vorgaben des Notentextes, und der Schluss des "Offertorio" etwa gerät durch ihre Gesangskunst zu einem Faszinosum erster Güte.
Gemeinsam mit Christa Ludwig, die in dieser Aufnahme bisweilen mit einem für ihre Verhältnisse überaus kernig-klaren Ansatz singt, der ihr in vielen anderen Partien gut getan hätte, bewegt Schwarzkopf den Hörer auch in den parallelen Oktavgängen des "Agnus Dei". Nicolai Gedda hat eine seiner Sternstunden im "Hostias", wo viele andere Tenöre dem Scheitern nahe sind. Die Tatsache, dass er für die Partie (wie auch die beiden Damen) vielleicht ein wenig zu leichtgewichtig ist, macht er vielfach durch seine intelligente Gestaltung wett. Grandios ist Nicolai Ghiaurov in der Basspartie: Er verfügte zu jener Zeit über eine gewaltige, problemlose Ausnahmestimme, deren Kraft durchaus mit derjenigen von Martti Talvelas Organ vergleichbar ist.
Auch Philharmonia-Chor und -Orchester partizipieren erfolgreich an dem differenzierten, oft sehr zurückhaltenden Ansatz Giulinis, ohne dass es ihnen im "Dies irae" an Durchschlagskraft fehlte; wenn an dieser Aufnahme etwas stört, dann sind es die gelegentlichen Intonationsschwächen der Gesangssolisten, und man wundert sich sehr, warum dem Perfektionisten Walter Legge, gefürchtet für endlose Wiederholungen im Aufnahmestudio, diese kleinen Schnitzer entgangen sind. -Michael Wersin