Lust auf Anderes

Jean-Pierre Bacri, Alain Chabat, Agnès Jaoui

DVD
Ausgabe vom 6. August 2001
Verkaufsrang: 11030 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0743218664694
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Lust auf Anderes - Jean-Pierre Bacri, Alain Chabat, Agnès Jaoui
Lust auf anderes ist die Geschichte eines Unternehmers, der eine Schauspielerin kennenlernt, die mit einer Kellnerin befreundet ist, die einen Bodyguard trifft, der mit einem Chauffeur zusammenarbeitet, der eine Dekorateurin fährt, die die Frau des Unternehmers ist, der gerne mit Künstlern befreundet wäre, die ... Kurzum eine Geschichte, in der sich innerhalb kurzer Zeit die Wege der unterschiedlichsten Menschen aus den unterschiedlichsten Kreisen kreuzen.

Zwei Welten treffen aufeinander, als der zupackende Provinz-Industrielle Jean-Jacques Castella (Jean-Pierre Bacri) plötzlich und unerwartet die Kunst entdeckt. Eigentlich wollte er gar nicht mit ins Theater, doch seine Frau duldete keine Widerworte, schließlich stand das französische Nationaldrama Bérénice auf dem Spielplan. Und dann passiert das Unvorstellbare: Die Tragödie nimmt Castella gefangen, und ihre Hauptdarstellerin Clara Devaux (Anne Alvaro) verzaubert ihn. Er kannte sie zwar schon, aber nur als Englischlehrerin, die Schülern Nachhilfe gibt und versucht, Männern wie ihm die heute nun einmal unverzichtbare Sprache beizubringen.
Agnès Jaouis Lust auf Anderes ist ein Spiel mit liebevoll gepflegten Klischeevorstellungen, denen beinahe jeder Mensch einmal erliegt. Jean-Pierre Bacri, der zusammen mit Agnès Jaoui auch das Drehbuch geschrieben hat, wirkt als der Industrielle Castella zunächst beinahe wie eine Comicfigur. So stellen sich Künstler und Intellektuelle einen von unten kommenden Erfolgsmenschen vor: hemdsärmelig, ungebildet, rau, stillos. Nur offenbart sich gerade in den Begegnungen mit den Künstlern, in deren Kreis Clara den Fabrikbesitzer einführt, ein ganz anderer Mensch. Natürlich geht er an Fragen der Kunst und des Geistes ganz anders heran als diese überheblichen Spötter, aber gerade seine Unbefangenheit und seine neu entdeckte, aus tiefstem Herzen kommende Begeisterung öffnet auch ihnen einen Blick über ihre Klischees hinaus.
Angenehmer als in Lust auf Anderes kann ein Film gar nicht zu mehr Toleranz aufrufen. Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri erheben nicht einmal den Zeigefinger. Sie konfrontieren uns vielmehr mit bestimmten (falschen) Vorstellungen und geben uns ganz sanft die Möglichkeit, sie zu überdenken. Zunächst erscheinen einem zwar weder Castella noch einige der Künstler sehr sympathisch, aber je mehr man von ihnen erfährt, von ihren Schwächen wie von ihren Träumen, desto mehr wachsen sie einem ans Herz.
Dies liegt aber nicht nur an dem wunderbaren Drehbuch, das bei aller Komik zugleich ein melancholisches Bild unserer westlichen Mittelstandsgesellschaften zeichnet. Auch Agnès Jaouis zurückgenommene Inszenierung trägt ihren Teil zu diesem perfekten Filmvergnügen bei. Sie lässt den Darstellern genau den Raum, den sie brauchen, um aus ihren Rollen unvergessliche und unverwechselbare Charaktere zu machen. -Sascha Westphal