Das weiße Rauschen

Daniel Brühl, Anabelle Lachatte, Patrick Joswig

DVD
Ausgabe vom 12. Dezember 2002
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EAN/ISBN: 7321921937033
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Das weiße Rauschen - Daniel Brühl, Anabelle Lachatte, Patrick Joswig
Wer das weiße Rauschen sieht, der wird sofort Wahnsinnig, außer wenn er schon Wahnsinnig ist, dann wird er normal."

Wenn man Hans Weingartners Das weiße Rauschen, diesen Trip in die Innenwelten eines paranoiden Schizophrenen, zum ersten Mal sieht, ist man zunächst überrascht, vielleicht sogar etwas entnervt angesichts seiner Kompromisslosigkeit und Radikalität. Ein Debüt wie dieses - Weingartner hat mit dem Film sein Studium an der Kölner Hochschule für Medien abgeschlossen - passt irgendwie kaum in unsere Zeit und noch viel weniger in die momentane deutsche Filmlandschaft. Eher denkt man schon an die Anfänge des New Hollywood, an die frühen Filme Martin Scorseses und John Cassavetes'. Es sind die filmischen Techniken dieser damals unerbittlichen Kino-Erneuerer, die Weingartner hier konsequent anwendet und die er mittels der neuen DV-Kameras sogar noch weiter radikalisieren kann.
Wie im Kino der 60er-Jahre, in den Exploitation-Produktionen Roger Cormans oder Richard Rushs, ist es auch bei Weingartner ein psychedelischer Drogentrip, der alles Weitere ins Rollen bringt. Aber was dann folgt, ist eben kein sensationalistischer Thriller, sondern eine eindringliche Krankheitsstudie. Der junge, aus der Provinz nach Köln gekommene Student Lukas (Daniel Brühl) nimmt bei einem Ausflug ins Bergische eine Droge, die einen Schalter in seinem Bewusstsein umlegt. Von diesem Moment an kann er nicht mehr in die Wirklichkeit, den ganz normalen Alltag zurückkehren. Seine Wahrnehmung verzerrt sich; überall wird er von Stimmen verfolgt. Schließlich sieht er nur einen Ausweg: einen Sprung aus dem Fenster, der ihn in eine psychiatrische Anstalt bringt. Nach seiner Entlassung gewinnt er durch die Psychopharmaka, die er schlucken muss, zeitweilig die Kontrolle über sein Leben zurück. Doch irgendwann hört er auf, die Medikamente zu nehmen.
Nach Benjamin Quabecks Nichts bereuen ist Das weiße Rauschen der zweite Film, in dem Daniel Brühl an die Grenzen schauspielerischer Einfühlung zu gehen scheint. Die Eindringlichkeit, mit der er die Symptome von Lukas' paranoider Schizophrenie erfahrbar macht, hat fast etwas Unheimliches. Man ist entsetzt von diesem zunächst noch ganz normal erscheinenden, eher schüchternen jungen Mann, den Kleinigkeiten von einem Moment auf den anderen völlig ausrasten lassen. Aber zugleich wird man von Daniel Brühls Darstellung geradezu magnetisch angezogen. Obwohl man eigentlich - schon um sich selbst zu schützen - auf Distanz zu Lukas gehen will, involviert Brühl einen immer stärker. Die fast schon selbstzerstörerische Intensität seines Spiels gibt Hans Weingartners stilistisch eher kühler, sich selbst filmisch ständig reflektierender Studie die letztlich unerlässliche emotionale Dimension. -Sascha Westphal