Große Mädchen weinen nicht

Anna Maria Mühe, Karoline Herfurth, Josefine Domes

DVD
Ausgabe vom 22. Juli 2003
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EAN/ISBN: 4030521343092
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Große Mädchen weinen nicht - Anna Maria Mühe, Karoline Herfurth, Josefine Domes
Sony Pictures GroÃ?e Mädchen weinen nicht, USK/FSK: 12+ VÃ-Datum: 22.07.03

Spätestens in ein paar Jahren, wenn man mit einem gewissen Abstand auf das Kino der Jahrtausendwende zurückblicken kann, werden wohl auch die größten Pessimisten und Skeptiker erkennen, dass die Welle der Teenagerfilme, die diese Zeit gebracht hat, keineswegs einen Niedergang des Mediums angekündigt hat. Im Gegenteil, es hat vielmehr von ihr profitiert. Vor allem der deutsche Film hat - noch weit mehr als der amerikanische - seinen Gewinn aus diesem Boom gezogen, in finanzieller wie auch in künstlerischer Hinsicht. Gerade junge Filmemacher konnten sich durch Teenagerkomödien und -dramen einen Namen machen und haben dabei wie Maria von Heland mit ihrem erstaunlichen Debüt Große Mädchen weinen nicht unserem Kino einen neuen Schub gegeben.
Die beiden 17-jährigen Oberstufenschülerinnen Kati (Anna Maria Mühe) und Steffi (Karoline Herfurth) sind seit ihrer Kindheit die besten Freundinnen. Sie haben so ziemlich alles, was zum Alltag Jugendlicher gehört, zusammen durchlebt, Schulstress und Ferienspaß genauso wie das erste Verliebtsein und Probleme im Elternhaus. Dabei war es immer die forsche und ungemein selbstbewusste Steffi, die den Ton angab. Die aus einer sehr viel konservativeren kleinbürgerlichen Familie stammende Kati hat jede ihrer egozentrischen Launen akzeptiert. Doch diesmal geht Steffi zu weit. Seit sie weiß, dass ihr Vater eine Affäre mit einer Arbeitskollegin hat, setzt sie alles daran, sich an der Frau und deren Tochter zu rächen. Sie lässt sich durch nichts von ihren Plänen abbringen und zwingt Kati damit zu einer schweren Entscheidung.
Anders als Filme wie Harte Jungs, Mädchen, Mädchen oder auch Marco Petrys kleines Meisterwerk Schule verzichtet Große Mädchen weinen nicht weit gehend auf komödiantische Elemente. Maria von Heland löst die klassischen Nöte und Probleme der Jugendlichen nicht in einer Folge amüsanter Verwicklungen und mehr oder weniger drastischen Gags auf, sie setzt vielmehr ganz auf die dramatischen Aspekte des Erwachsenwerdens. Um das Lebensgefühl heutiger Teenager so authentisch wie möglich auf die Leinwand zu bringen, hat sie zahlreiche Interviews mit Berliner Jugendlichen zwischen 15 und 19 geführt. Und auch wenn sie nicht direkt in Maria von Helands Drehbuch eingeflossen sind, geben sie dem Film doch einen ungewöhnlich authentischen Hintergrund.
Auf den ersten Blick scheint Große Mädchen weinen nicht fast kolportagenhafte Züge zu tragen. Berlin präsentiert sich hier als ein modernes Babel, in dem perverse Triebtäter Jagd auf junge Mädchen machen und dessen Clubszene einem einzigen Sündenpfuhl gleicht. Damit schließt Maria von Heland an eine seit der Stummfilmzeit existierende Tradition der Berlin-Darstellung an und beschwört Erinnerungen an die goldene Zeit des deutschen Kinos herauf. Wie G.W. Pabst, Joe May und Fritz Lang ist auch sie eine Avantgardistin des Kinos, die den Konventionen der pulp fiction folgt und zugleich aus ihnen ausbricht. Immer wieder gelingt es ihr, mit kleinen Szenen wie der, in der Kati und ihre kleine Schwester zu Gott beten, dass sich ihre ständig streitenden Eltern doch endlich scheiden lassen, zu überraschen. Und erst ganz am Ende erkennt man, dass sich hinter dieser melodramatischen Teenagergeschichte ein großer religiöser Entwurf verbirgt, eine Erlösungsfantasie, die den Filmen Carl Theodor Dreyers näher ist als den Teenagerkomödien eines John Hughes. -Sascha Westphal