Ultravisitor

Squarepusher

Musik-CD, Audio CD
Ausgabe vom 8. März 2004
Verkaufsrang: 189271 (je kleiner desto beliebter)
EAN/ISBN: 0801061011727
ASIN: B0001E70BM (Amazon-Bestellnummer)
Ultravisitor - Squarepusher
Bis vor kurzem ging Tom Jenkinson a.k.a. Squarepusher noch als experimenteller Drum'n'Bass-Künstler durch, jetzt ist er ein zeitgenössischer Komponist. Ultravisitor, sein neuntes Album, ist ein Quantensprung, so etwas wie das erste Concerto grosso einer Musik, die sich in den vergangenen Dekaden aus der modernen Dance Music entwickelt hat: eine unbestreitbare Tatsache zwar, aber nicht mehr nachvollziehbar vor diesen ungeheuren Klängen.
Das Titelstück, ein konzeptionell klassisch anmutendes Kompositionsmonstrum von spätgotischen Ausmaßen jenseits aller klassischen Traditionen, ist der programmatische Opener. Große Bassblasen, Schläge und Splitterbeats bewegen sich über einer introvertierten Kirchenorgel-Figur; ein spürbares, aber nicht analysierbares Strukturengestöber, das nach gut acht Minuten in ein schief sitzendes Jazzgitarrensolo mit etwas Bassgitarre zerläuft: Wir sind bereits im zweiten Stück. Der Jazz, seit Music Is Rotted One Note (1998) deutlich als eins der Zentralorgane der Squarepusher-Musik, bleibt auch hier die Konstante, dynamisch wie tonal, als einzige Stimme prominent.
Mahavishnu-Tempi, die strukturelle Stringenz von Weather Report, Brand X' Hang zum Skurrilen, abseitige House- und Techno-Reste, Swing-Module, atomisierte Metren und vieles andere mehr verdichtet Jenkinson weit über den Crossover-Begriff hinaus zu seiner ganz eigenen Musik. Minutenlang türmen sich hinter enervierend lautem Generatorbrummen eisenharte Metal-Riff-Mutationen und künstliche Streicherklänge zu apokalyptischer Kakophonie auf, um in etwas wie Lautenmusik aus dem 17. Jahrhundert zu stürzen: Bass- und halbakustische Gitarre, keine Attacken oder Brüche, vollkommen hübsch und vollkommen rätselhaft. Die Erschöpfung ist deutlich nach fast 80 Minuten dieser Musik - aber man kommt da einfach nicht heraus.
Wer Jenkinsons Entwicklung Schritt für Schritt zurück verfolgt bis zum Debüt Feed Me Weird Things (1996), kann unschwer nachvollziehen, was ihn hier hin geführt hat. Diesen Ultrabesucher konnte man trotzdem nicht erwarten. -Rolf Jäger